Heute morgen erzählte mir das Cousinchen beim Gang zum Meer, die Geschichte aus dem aktuellen ZEITmagazin von dem Schaf Leni, das nicht mehr in seiner Herde sein wollte und sich entschied, wegzugehen, um bei den Pferden zu leben. Es ist eine wahre Geschichte, sie spielt in Oberbayern und ist so symbolträchtig, dass ich sie heute mit dem mir üblichen erzählerischen Mischmasch zum Besten geben möchte. (Das da auf Titelbild bin übrigens ich, mit vier oder fünf Jahren, abfotografiert aus dem alten etwas vergilbten Fotoalbum.)

Leni wurde geboren in eine Herde von Kamerunschafen, da war sie noch ein namenloses kleines Lämmlein mit ungewissem Schicksal. Wie seine Spiel- und Altersgenossen drängte es sich dicht an dich oder hoppelte über die grüne Wiese vor dem malerischen Hintergrund der Berge. Zunächst einmal kein Grund für Eigensinn und bockige Fluchtversuche. Meine Mutter sagte auch immer: Kind, wir sind so wie all die anderen. Aber wenn nicht? Was dann?

Das dachte sich auch die zukünftige Leni und haute einfach ab. Weg war sie, unter den Zaun hindurch und hinein in den Wald. Sie wurde hier und da gesehen, doch einfangen konnte sie niemand. Der Besitzer sprach von dem „Drecksvieh“ und dann vergaß er es auch wieder, wollte nur nicht, dass es irgendeinen Schaden anrichtete.

Ob Leni wohl auch so dreinschaute wie ich als Kind? Immer mit gekräuselter Stirn, skeptisch und zweifelnd. Soll so mein Leben aussehen? Gehöre ich in diese „Herde“. Der weiße Bubikragen täuscht, genauso wie die Mütze, der Kurzhaarschnitt und der brave Daffelcoat.

Und so bin ich wie Leni einfach irgendwann weggegangen und nie mehr „zurückgekehrt“. Genauso wie sie hatte ich Glück, bin woanders untergeschlüpft, als geduldeter oder gar geliebter Außenseiter. Für das Schaf wie für mich, war das gewiss einfacher, als mit der „Heimatherde“ klarzukommen.

Ob nun Leni ein Pferd sein möchte, wie es in der Überschrift des ZEIT-Artikels heißt, bleibt ungewiss, ist auch egal, vielmehr geht es um die „Wahlverwandtschaften“, wo man sich am besten leben kann. Mit seinem Mut, ein wenig unkonventionell seinen Weg zu gehen, hat es das Schaf sogar zu einer kleinen Berühmtheit gebracht. Wer weiß, was alles noch kommt!