Mode bildet immer auch das Leben ab. Ob noch gilt „Fashion is all“, weiß ich nicht so recht, aber auf jeden Fall kann man viel an ihr ablesen und sich an ihr erproben. Die Fashion Week Paris läuft derzeit mit erwartungsvollem Herzklopfen, wie die Kritiker*innen schreiben, und dann bleibt es doch ein wenig von Diesem und Jenem, um die Kleiderstangen der nächsten Saison zu füllen. „Es gibt sie nicht, weil jemand etwas Dringliches zu sagen gehabt hätte“, fasst die Süddeutsche Zeitung überkritisch zusammen. Auch das hat etwas mit unserer Zeit zu tun. Das Leben scheint sich woanders hin zu verlagern.

Designer wie Yohji Yamamoto fällen schon jetzt ihr Todesurteil über die Mode, in der es nur noch um Geld geht. Wir müssen sie neu denken, die Gunst in mikroskopisch kleinen Einheiten suchen. Den Erfolgsdruck abschütteln und dafür den Freiraum suchen, wie man Wort und Bild, Geschichten, Texturen und Silhouetten zusammenbringt, damit sie erzählen, eine Relevanz erhalten und gleichzeitig sich selbst genügen. Mode, die gekauft wird, um mehr zu sein, als nur ein weiteres unwesentliches Stück im Kleiderschrank.

Ein Bündel von Entscheidungen ist dafür von Nöten. Tage der Qual, Tage der Euphorie. Welche Stoffe bleiben, welche Motive kommen in die endgültige Auswahl? Wie entwickelt sich eine in sich schlüssige Kollektion mit einer Vielzahl von Erzählsträngen? Stoffschnipsel schieben sich nebeneinander und werden wieder verworfen. Farben müssen ausgesucht werden, abgestimmt in feinen Nuancen: Rosiness und Elevated Brown für den Woll-Crêpe aus Italien. Unbedingt!

Drei verschiedene Tüllstoffe sind in Auftrag gegeben. Natürlich wird der rosa-orange-farbene Bouclé von Cathérine aus Frankreich dabei sein und der braune Jacquard mit den rot-blauen Karos. Die Kollektion nimmt Kontur an, ich kann sie vor meinem inneren Auge sehen. Wie steht es mit dem Budget? Wo kann ich einsparen, und wo darf ich großzügig sein? Ein Zuviel macht eine Kollektion nicht besser!

Es fehlen noch die Prints, die versehentlich an die falsche Adresse gingen und zeitraubende Umwege durch Europa machten. Die Futterstoffe zeigen die Encyclopedia Tafeln, eine neben der anderen. Aber wie groß wird das Muster? Mit den Proportionen tue ich mich immer am schwersten. Im Geiste lege ich die Schnittbilder. Wie sehen die Objekte in groß auf einer Seidenbluse aus, wie auf einem Kleid oder Rock? Wo verlaufen die Nähte, die das Bild wieder zerstückeln und damit im besten Fall neue Spannung erzeugen? Vom Abstrakten zum Konkreten.

Die Schnee-Eule, der Eisbär, die Pilze und die Äpfel, sie sollen sich erkennbar um den Körper schmiegen. Die Farb-Andrucke stimmen, aber noch wirkt es fast (?) zu riesig, vielleicht muss der nächste Test 20% oder gar 30% kleiner werden? Das sind wichtige Entscheidungen, die ich mit in den Schlaf nehme. (Als gäbe es nichts Wichtigeres!)

Beinahe ist es wie eine Auszeit von der Welt mit all diesen Details, die mich umfluten, um dann, wenn alles entschieden ist, den Prozess freizugeben, um wieder loszulassen für die Geschichten, die ich alle erzählen möchte, um etwas zum Klingen zu bringen, das wir Gefühle nennen.

Abends gibt es die frisch gesammelten Pilze, getrocknet im Ofen bei 50°C, anschließend kurz angebraten und mit Pappardelle serviert. Dazu ein Glas Wein und ein paar andere Geschichten. Köstlich! – Vielleicht doch die Größen so lassen? … Entscheide ich morgen.