Was ist, wenn das bekannte Wissen der Welt die Kapizität des Einzelnen übersteigt, das Ende der Universal-Genies sich einleutet? Wir denken an Leibniz (1646 – 1716) oder an Goethe (1746 – 1832) als die Letzten ihrer Art. Dann ist es an der Zeit, das Wissen zu sammeln, um es in einem vielbändigen Buch zu veröffentlichen und einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen: die Encyclopédie. Allein dieser Akt birgt in sich demokratischen Sprengstoff am Vorabend der Französischen Revolution. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts beginnt die Geschichte der Encyclopédie Française mit Diderot und d’Alembert, ich hatte schon darüber berichtet. Trotzdem rollten wie sie an diesem IT’S A DIENSTAG noch einmal auf, in einer Fortsetzung von “Töchter erklären Müttern die Welt”, aus der ein spannender Diskurs in kleiner Runde wurde.

Gebackene Äpfel mit Walnüssen, Gorgonzola, Kürbiskerne.

Draußen Nieselregen in schwarzem Dezember-Dunkel, ein Wetter, um sich in die hinterste Ecke zu verkriechen, sich krank zu fühlen oder von Urlaubsferne zu träumen. Eingetroffen sind u.a. Katharina Wiefel-Jenner, promovierte Theologin, und Francisco José Soler Gil (Paco), Professor für Philosophie in Sevilla, Spanien. Eine wunderbare Unterstützung, um tief einzutauchen in die Komplexität des Themas. Für das Essen hat mottogerecht meine Tochter Roma gesorgt.

Wissen ist politisch, Wissen ist philosophisch, Wissen ist Macht!

Törtchen mit Kasha, Crème Fraiche und verschiedenen Pilzen.

Die Encyclopédie Française umfasste ursprünglich 17 Bände, die zwischen 1751 – 1780 veröffentlicht wurden. Mit insgesamt 71.818 Einträgen ist es immer noch das umfangreichste Nachschlagwerk in Buchform. 18.000 Seiten, an denen insgesamt 142 Verfasser mitwirkten, die die damalige intellektuelle Elite bildeten. Unter ihnen so Schwergewichte wie Voltaire und Rousseau.

Um dieses gigantische Vorhaben finanziell zu stemmen, hatte der Verleger die Subskription erfunden, die Vorfinanzierung auf den Kauf und damit die Verpflichtung, auch die nächsten Bände abzunehmen. Die Unternehmung wurde zu einem sensationellen Erfolg, verzögerte sich jedoch immer wieder, da Autoren wie Herausgeber regelmäßig im Gefängnis landeten oder auf der Flucht waren. Wie verteidigt man das Wissen, wenn es der Obrigkeit nicht passt? Dabei gab es genügend aufgeklärte Mächtige, die das Werk gern in ihrem Land und unter ihrem Namen veröffentlicht hätten: Friedrich II zum Beispiel oder Katharina die Große. Außerdem sollte man einmal untersuchen, welche Rolle die Frauen im Kontext der Encyclopédie Française spielten. Die Mätresse des französischen Königs, Madame de Pompadour, hielt ihre Hand schützend über die Herausgeber Diderot und d’Alembert.

Es geht in der Diskussion munter hin-und-her. Was ist faktisch beweisbar und was ist als Variable zu definieren? Die Naturwissenschaften hatten es damit seit je her leichter als die Philosphie. Dazu mischten sich die weltlichen und kirchlichen Machthaber ein mit ihren absolutistisch geprägten Überzeugungen. Eine Welt im Wandel.

Google als Suchmaschine, Start 1996/7. Wikipedia etablierte sich ab 2001 als digitales Nachschlagewerk mit mittlerweile über drei Millionen Artikeln in deutscher Sprache und unzähligen Kommentierungen. Es wirkt mittlerweile wie ein altes Schlachtroß, das auf seinen Gnadenhof wartet. Wer erinnert sich noch an die “behäbige Dame” SIRI? – KI übernimmt. Und damit zeigt sich Wissen mit einer neue Macht, gefährlich und anfällig für Manipulation, mundgerecht aufbereitet. Wir diskutieren heftig, wohin es uns führen wird. Bleibt uns nur die fatale Wahl zwischen einer kämpferischen Retro-Haltung oder einem Zu-spät-sein, um auf den Highspeed-Zug aufzuspringen? Roma und ich sind noch im Gespräch, als wir schon längst im Bus sitzen, müde, mit Endzeit-Gedanken.

Lasst es mich als notorische Optimistin drehen. Ich bestelle, mit Voltaire gesprochen, meinen kleinen Garten, blättere in meiner Encyclopédie von vorne nach hinten, streiche vorsonnen mit der Hand über die Seiten und bunten Tafeln. Es inspiriert mich, es ist ein sinnlich wohltuendes Erlebnis. Vergessen wir nicht, wir sind Menschen mit ureigenen Bedürfnissen und Gefühlen, die erfüllt werden wollen. Wir sind Wesen, die sich bewegen, die sich verändern, die selbst auf Entdeckungsreise gehen möchten. Ich lebe nicht im Protest, nicht im Widerstand, sondern baue mir meine eigene Welt mit einem Netz, das sich über Kontinente spannt, das überall Gleichgesonnene findet. Und dafür steht ist die neue Kollektion als eines meiner Werkzeuge! Encyclopedia.