… gemeinsam agieren, sind sie unschlagbar! Könnte man das als Fazit diesem vergangenen It’s a Dienstag voranstellen? Uns so unsere Ängste nehmen vor dem, was wir nicht mehr verstehen, was sich gefährlich verselbständigen könnte. Unsere analoge und digitale Welt ist so fragil, ständig ausgesetzt den manipulierenden Angriffen von außen. Das Thema Künstliche Intelligenz hat eine bunte Mischung von Gästen angelockt.

Wir werden die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz nicht aufhalten, sie ist schon jetzt allgegenwärtiger als wir ahnen. Ein Grund mehr, unserem Talkgast, einem der besten deutschen KI Experten und promovierten KI-Wissenschaftler zuzuhören: Moritz August.


Etwas hilflos werfe ich Mary Shelly als Auftakt in die Runde, die Anfang des 19. Jahrhunderts „Frankenstein“ schrieb, den künstlich erschaffenen Menschen, in dem Sommer, in dem es keine Sonne gab. Es regnet wieder einmal draußen, während wir dicht gedrängt in der Poolstrasse 30 beisammensitzen. Das Stichwort verfängt nicht, zu weit ausgeholt.


Moritz beginnt in den fünfziger Jahren, als sich Wissenschaftler das erste Mal konkret mit dem Thema von Künstlicher Intelligenz beschäftigten. Maschinen wurden mit Daten gefüttert, die diese wieder auswerteten. Irgendwann war der Punkt erreicht, dass die Informatiker nicht mehr hinterherkamen, das galoppierende Wissen einzuspeichern. Big Data. (Ich hatte dazu übrigens 2013 eine Kollektion: Cyber – the new digital Age).

Der Durchbruch kam 2013 mit einem komplett neuen Ansatz: die Maschinen werden nicht mehr gefüttert, sondern so programmiert, dass sie eigenständig lernen und sich weiterentwickeln. Ein Quantensprung. 2014 absolvierte Moritz seinen Master an der TU München, 2018 seine Promotion in Informatik zu Künstlicher Intelligenz in der numerischen Quantenmechanik. Was das bedeutet, verstehen nur die Wenigsten von uns.


Anschließend arbeitete er für ein Start-up im Bereich Tumor-Erkennung. Er schildert eindrucksvoll die Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Informatikern, wie Zeit gewonnen wird in der Auswertung von mikroskopischen Bildern, wie das Wissen der besten Pathologen der Welt einfließt. Die Herleitung bleibt transparent und für den behandelnden Arzt nachvollziehen, Zeit wird eingespart und Leben gerettet. Hier kann KI sein enormes positives Potential entfalten.


Zahlen und Statistiken werden ausgetauscht. Drastisch steigende Krebserkrankungen, Ärztemangel. KI in der Altenpflege. Ein Computer fragt das Wohlergehen ab, bemisst die Medikamenten-Verabreichung, stellt die Anamnese, Dinge die längst Wirklichkeit geworden sind. Wir sehnen uns den althergebrachten Hausarzt herbei. Wo bleibt der Mensch und die Menschlichkeit? Was hier aus der Balance gerät, ist ein Indiz für die systemischen Probleme von Politik und Gesellschaft. KI ist ein Werkzeug und nur bedingt ein kompletter Ersatz von Arbeitskraft. Die Stimmung ist ernst und konzentriert, weicht erst später der geselligen Heiterkeit. 


Moritz erzählt von seinem eigenen Start-up, direkt vor Corona gegründet, als es um die Optimierung von Lieferketten und Lieferservice ging. Wie kann eine online Bestellung in zehn Minuten zugestellt werden? Und davon so viele wie möglich.


Ich hangele mich weiter entlang seines Lebenslaufes, der verschiedene Facetten von KI abdeckt. Aktuell arbeitet er als „Lead Machine Learning Engineer“ bei Jung von Matt. Er leitet die Forschung und Entwicklung von generativer KI für Kreativkampagnen, schult Kollegen und Kunden, entwickelt eine eigene KI-Strategie für die Werbung, die immer besonders cool ganz vornean sein will. Wie geht das, wenn astromomische Summen im Spiel sind?


Eine ChatGPT4 Entwicklung kostet ca. 100 Milliarden Euro. Das kann selbst Deutschlands beste Werbeagentur nicht mal träumen zu wuppen. Also müssen offene Formate genutzt und angepasst werden. Unsere Zeit verändert sich, wer zeichnet noch wie ich mit Bleistift, benutzt Schere und Kleber? Iya Voinichs Vorlagen für meine Childhood Kollektion entstanden am Computer … Aleksandra Jagdfeld lässt ihre Ikats auf althergebrachte Weise auf traditionelle Weise weben. Meybol macht Schokolade wie vor 300 Jahren. Beide waren zuvor unsere Dienstag Talkgäste. Trend und Gegentrend.

Die neue digitale Vielfalt stellt Begrifflichkeiten auf den Kopf. Was ist „echt“?  Was ist „wahr“? Moritz lancierte zum 300 Jahre Immanual Kant Jubiläum einen KI Kantianer: Manu Kant (den hübschen Kerl gibt es nicht aus Fleisch und Blut). Er ist unecht echt. Gerade zum Leben erweckt. Ihr könnt ihm folgen. Wem folgen? Wer übernimmt Verantwortung in einem Prozess von computergenerierte Selbstoptimierung?

Jeder Bereich unseres Lebens wird in die Diskussion hineingezogen. Wir verlieren die Übersicht. Aber ging es den Generationen der letzten 200 Jahre nicht ähnlich? Fragen, die tief reichen. Die einen unter uns zeichnen eine düstere „brave new World“, die anderen sehen die Vorteile. Moritz versucht darüber faktisch zu bleiben. Wie wird sich unser Zusammenleben verändern, wie sieht es in zehn Jahren aus?


Er ist nicht der Typ für den Blick in die Glaskugel. Informatiker wird es weniger geben, die Künstliche Intelligenz programmiert sich selbst. Aber wer weiß, wie sehr das rasante Wachstum der letzten Jahre anhält. Ob es gar zu einem Plateau-Effekt kommt. Bis hierhin und dann erst einmal für lange Zeit nicht weiter.


Neben mir Moritz August und Carsten Maltzahn (Krisen PR Manager)

Künstliche Intelligenz ist extrem „energiehungrig“. ChatGP4 verschlingt täglich die Energie von 180.000 US-amerikanischen Haushalten, und so viel Wasser (eine unserer wichtigsten Ressourchen) wie Irland. Die digitale Kommunikation ist schon jetzt verantwortlich für 2 – 4 % des gesamten Treibhausgases, ähnlich dem gesamten globalen Flugverkehr.


1972 sprachen die Wissenschaftler erstmals von den „Grenzen des Wachstums“. Hier könnten sie erneut dramatisch aufgezeigt werden. Wir haben nur eine Erde und keine zehn oder zwanzig! Danke Moritz für die Einblicke, wir sehen uns wieder für ein nächstes Gespräch, vielleicht auf Sylt.