Vernissage Feeling in der Poolstrasse 30, ungewöhnlich, erfrischend und inspirierend. Unter den Gästen viele Künstler*innen, ein Galerist, unsere Dienstag Truppe. Es mischt sich, und wie eine Besucherin, extra aus Berlin angereist, meinte, hat man plötzlich Lust, mit jedem zu sprechen und tut es auch. Die Kollektionen von Roma e Toska hängen an den Stangen im Untergeschoss. Nur die weißen Blusen sind oben geblieben, gesellen sich zu den Kimono-Objekten der Hamburger Künstlerin Nele Budelmann, mein Talkgast.
Der Dialog über Kunst fühlt sich für mich wie früher an und ist zugleich neu in dem Kontext von Mode und meinem Boutique-Zuhause. Vor allem in den letzten Tagen habe ich erkannt, wie sehr ich diese künstlerische Auseinandersetzung vermisst habe bzw. wie sehr sie mich wieder begeistert.
Beinahe zehn Jahre hat Nele nicht ausgestellt, sich dem Kunstmarkt verweigert. Dennoch hat sie intensiv gearbeitet in ihren beiden Wohnungen auf der Veddel und in St. Pauli. Es entstanden Zeichnungen und Wandmalereien, Bogen für Bogen mit Tagebuch-Schreibmaschinen-Notizen, mit Projekten und Ideen. Gleichzeitig hat sie andere Künstler*innen in ihren Räumen ausgestellt. Das Atelier nutzte sie als „Hotel“, als Gesamtkunstwerk.
Von meiner Seite ist es ein vorsichtiges Tasten in ihre Welt, ohne der Stringenz des Lebenslaufes zu folgen. Ich finde, es würde nicht zu ihr passen. Neben mir sitzt eine hochintelligente Persönlichkeit, schwierig, anspruchsvoll, es geht ihr um die Präzision des Denkens und Formulierens.
Sie studierte Malerei bei Werner Büttner an der Hochschule für bildende Künste und lernte Ikonenmalerei in Wien. Für die Aufnahme in Hamburg musste sie eine Seminararbeit abgeben zu dem Thema: Warum will ich Künstlerin werden? Noch heute sieht man ihr an, wie dumm sie diese Aufgabe fand.
Manschetten, Leinen bestickt und bemalt (€ 400, das Paar € 700)
Sie ließ ihren Text von einem kleinen Mädchen verfassen, der in etwa so lief: „Ich male gerade einen langweiligen Vogel. Dann mal ich einen Haarreifen, der auch nicht aussieht wie meiner. Ich will Künstlerin werden, weil ich so gut malen kann. Natürlich gab es dafür eine Abmahnung. Künstler*innen müssen solche Fragen mit Kunst beantworten, so ihre knappe entlarvende Antwort.
Kosodes, gröberes Leinen mit Malerei und Stickerei (€ 2.400)
Immer wieder merke ich, wie sie sich der Aufforderung nach Erklärungen und Deutungen entziehen möchte. Es wäre ihr so in den Sinn gekommen oder sie habe es einfach gemacht, intuitiv, redet sie sich heraus. Das Werk steht für sich. Was will die Künstlerin sagen, wird zu einer überflüssigen Frage.
Detail aus Pakistanisches Gebirgsjäckchen (€ 1.600)
Benutzen wir das Handwerkszeug der Kunstgeschichte und sammeln, was wir sehen, um dann die Kreise weiter und weiter zu ziehen hin zu den Assoziationen. Zerschnittene bemalte Leinwände, Nähte mit bunten Fäden, die sich teilweise im Nichts verlieren. Aufgeklebte Textseiten, wieder abgerissen. Stickereien wie flüchtige Spuren …
Die Handarbeiten besitzen die Magie der Wiederholung, die Energie des Manischen. Sie führen wie Traumpfade in die Poesie und in die zarten Zwischenbereiche, die für Neles Arbeiten typisch sind. Nichts ist zufällig, und dennoch folgt es keinem vordergründigen Plan.
Kimono mit Diary Typwriter (€ 4.400)
„Sie kommen von fern“, schrieb mein Mann, als er die ersten Fotos sah. Das tun sie wahrhaftig, und darüber entwickeln sie ihr Mysterium, ihre Kraft und Aura, ihre selbstverständliche Präsenz.
Puppe mit Manschette (€ 400), im Hintergrund Kimono Rose von Jericho (€ 2.600)
Afghanistan, dieses schöne wilde zerklüftete Land, das ihr Großvater noch vor seinem Tod bereiste. Die Männer mit schmalen Gesichtern, dunklen Bärten und Turban, die sich in der Ikonenmalerei wiederfinden. Warum die Fährten immer wieder hier hinführen? „Mosaike für Schwimmingpools in Afghanistan“, heißt eines ihrer aktuellen Projekte. Es könnte von den Fantasten und Surrealisten stammen. Ich denke an Land Art, aber auch an Bruce Chatwin, den Nomaden. Sie denkt an Alighiero Boetti und das Hotel in Afghanistan. Querverbindungen, die vieles andeuten.
Zehn Jahre Verweigerung sind genug, finde ich. Es wird Zeit, dass Nele Budelmann ihre Kunst wieder zeigt. Bei mir in der Poolstrasse ist es nur der Anfang, andere sollten übernehmen, Sammler, Institutionen und das über die Grenzen hinaus.
Die Puppen-Geschichte erzähle ich ein nächstes Mal. Die Ausstellung hat ja gerade erst begonnen und geht noch bis Ende März. In diesem Zeitraum wird es kleine Matinées und Soirées geben und gerne auch Einzelverabredungen.
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BLOUSON BLUSE, WEISS
€459,00 inkl. Mwst. -
GROSSES GLÜHWÜRMCHEN TUCH, MULTI
€249,00 inkl. Mwst.
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