Ein Dorf mit zwei Straßen, irgendwo im fernen Sibirien, am anderen Ende der Welt. Das Dorf hat sicherlich einen Namen, aber den nennt Katharina Arnold nicht, dort kommt sie her, von dort ist sie mit zehn Jahren samt Familien nach Deutschland ausgewandert. In dem Haus der Eltern und Großeltern stand auf dem Tisch ein großer Topf, aus dem man aß, das Klo war draußen, primitiv. Einen Platz für Schönheit, wie sie es versteht, gab es dort nicht. Das ist ihr Weg: Wie komme ich zu einer äußeren Schönheit, die auch eine innere widerspiegelt. Ihr Begriff dafür: Eleganz.

Schon sind wir um sie herum beschäftigt mit einer Definition. Was ist Eleganz und was braucht es dafür? Es ist eine Haltung, eine Attitüde, es hat mit Persönlichkeit und Authentizität zu tun, es bedarf einer gewissen Ethik und Moral, Bildung. Das innere Wesen bedingt das Äußere, auch wenn es dort diverser Hilfestellungen bedarf, so Katharina, wie man sich schminkt, wie die Haare sitzen, die Garderobe für die Anlässe, für den Zweck.

Schon sind wir bei der Etikette und den Benimmregeln, für die sie eine Online-Ausbildung machte, in Moskau. Ich werde hellhörig. Vervollkommnet sich hier die Frau, um das strahlende Beiwerk zu sein, verbirgt sich dahinter ein tradiertes Bild von hübscher Ehegattin und Hausherrin, mit der „Mann“ sich schmücken kann?

Sie protestiert, hat ihre Hände im Schoß gefaltet, die Beine sorgfältig übereinandergeschlagen. Mutig hat sie ihren eigenen Weg verfolgt, hat den ersten Ehemann verlassen, war über mehrere Jahre alleinerziehende Mutter, wurde erfolgreiche Geschäftsfrau.

Sie ist jetzt Ende 30, erneut verheiratet mit einem zweiten Sohn von 17 Monaten. Das alles verdient Respekt, dahinter steckt ehrgeizige Arbeit. Ich weiß, wie es ist, von außen in ein gesellschaftliches Gefüge zu kommen. Ihr Weg ist Anpassung, mein Weg ist Rebellion. Wir werfen uns nicht die Bälle zu, da sitzen zwei Modelle von Leben. Es amüsiert die Zuhörerinnen und macht uns alle gleichzeitig nachdenklich.

Wir brauchen ein Rüstzeug an Benimm-Regeln, von Übereinkünften eines gepflegten Miteinanders, darin sind wir uns einig. Es sollten die Kinder schon in der Schule lernen, um vergleichbare soziale Kompetenzen zu erlangen. Der Aufstieg geht über die Manieren, die uns Sicherheit verschaffen auf dem gesellschaftlichen Pakett zu réussieren.

Tischdekoration: maison f, Catering: Hej Papa

Wie essen wir, schlürfen wir vornübergebeugt, Reden mit vollem Mund, die Ellenbogen aufgestützt, sind wir zu laut, spicken unsere Sprache mit deftigen Worten…? Es ist eine Summe von vielen, vielen kleine Einzelheiten, die zu den Normen einer jeweilige Kulturgemeinschaft gehören. Es ist die Basisausstattung sozusagen. Und die Eleganz?

Katharina Arnold spricht von dem Rohdiamenten, der geschliffen werden muss, und wendet sich damit an eine große Gruppe, die auf der Suche nach Erfolg,  gesellschaftlicher Zugehörigkeit und Akzeptanz sind. Ich wünsche mir mehr Bildung, mehr Individualität, mehr Facetten, um beim Edelstein „Mensch“ zu bleiben.

Wie wir da zum Schluss spontan sitzen für ein Foto, trennen uns jeweils zehn Jahre von Ende dreißig bis Anfang sechzig. Da lassen sich viele Wege ausprobieren für eine Eleganz des Denkens und Seins. Ich meinte auch mal, ich könnte nur im Jil Sander Kostüm erfolgreich sein. Mittlerweile weiß ich, dass auch „Bad Girls get the Corner Office“.

Danke Dir, Katharina, für diesen Abend, es gäbe noch so viel mehr zu erwähnen, zu diskutieren, so viele Anekdoten zu erzählen. Die arme Carmen fehlte mit ihrem Lachen und ihrer ganz eigenen Eleganz, sie musste mit Grippe das Bett hüten. Nächste Woche ist Christine Brandi unser Gast mit neuen Objekten zwischen Kunst und Design. Voranmeldung unter: info@romaetoska.de.