Beginnen könnte ich mit dem Ende und einer der letzten Fragen der Gäste: Wohin wird die Mode gehen in den nächsten zwanzig Jahren? – Ja, wohin? Es fällt uns doch schon schwer, die nächsten Wochen zu überblicken, bei den Zickzack-Kursen der Weltpolitik, auf den die Mode mit Unsicherheit nervös reagiert. Einen Moment muss ich überlegen. Wie immer gibt es Bewegung und Gegenbewegung …

Blazer, Röcke und Hosen aus der aktuellen Kollektion, die individuelle angepasst werden können.

Die hightech Materialien werden übernehmen zugunsten von Naturstoffen Baumwolle, Seide, Wolle. Schon jetzt explodieren die Cotton-Preise. Vieles wird computer- und Ki-gesteuert standardisiert. Eine weitere Uniformierung lässt sich nicht vermeiden. Fast Fashion wird den Markt bestimmen. Brave new World.

Glockenrock aus weich fallendem Wollcrêpe.

Aber daneben wird es die Nischen geben, und mit ein wenig Glück und unserer Mithilfe werden sie eine dominante Gegenkultur bilden, nachhaltig, mit Leidenschaft, geprägt durch Kreativität und Handwerk. Hier finden Anne und ich unseren Platz und mit uns viele, viele andere. „Kleine Einheiten“, ist wieder einmal das Stichwort.

Die Neue im Team von Roma e Toska sitzt neben mir, gestern war sie mein Talkgast. Die Anwesenden erhielten einen faszinierenden Einblick hinter die Kulissen, worum es geht in der Mode, in der man vieles noch mit der Hand fertigt. „Les petits mains“, nennt man die Schneiderinnen in den großen Couture-Häuser Frankreichs.

Anne näht bis kurz bevor die Gäste kommen. Ich habe mit Unterstützung von den Nachbarn maison f. den Tisch gedeckt. Ursprünglich wollte sie Bauingenieurin werden, aber dann war es ihr zu viel abstrakte Materie. Überraschend zeigte sich plötzlich der Weg hin zur einer Schneiderlehre. Etwas fertigen, dass man so nicht kaufen konnte, ein fertiges Ergebnis nach wenigen Stunden in der Hand zu halten. Und hat es nicht auch etwas mit Architektur zu tun? Die zweite Haut berechnen und nähen. Wenn ich es niederschreibe, spüre ich gleichzeitig Annes tief empfundene Freude an diesen Prozessen.

Locker gewebter Jacquard,hellbraun-schwarz, Ruwenori-Futter, Hornknöpfe

Gesellenprüfung, Meisterprüfung. Sie ist Anfang dreißig und hat von einer abwechslungsreichen kleinen Vita zu erzählen: Schneiderin auf der MS Europa zuständig vor allem für die Uniformen, dann Kostümabteilung an der Staatsoper und anschließend bei Chanel in Hamburg. Aber so richtig scheinen sich ihre Wünsche erst bei Roma e Toska zu erfüllen mit exklusiven Stoffen, Schnitten, die abwandelt und individuell angepasst werden können. Les petits mains dürfen handwerklich kreativ werden.

„Ich bin überhaupt nicht modisch“,

sagt sie und lächelt dabei. Gut für mich, denn so kann eine wunderbare Liaison entstehen zwischen meinen Visionen und Entwürfen und ihren handwerklichen Kenntnissen. Zusammen mit Melle (Industrie-Schneiderin) und Bettina (Schnittdirektrice) entwickelt sich ein ideales Team, wie es sich in den Trends der Fashion-Weeks ankündigt: nachhaltig, kenntnisreich, mit eigener Handschrift. Wir brauchen nichts, nur das Besondere mit Plaisir!

Wir sprechen über meine Ideen, meine Auswahl von Stoffen von hoher Qualität, ihren Eigenarten, der Webart mit der ihr eigenen Elastizität, robust, fließend und geschmeidig zugleich. Die Bouclés mit ihren raffinierten Schlingen, die Jacquards in ihren extravaganten Farbmustern … Komplex meine Gedanken, flüchtig meine Modell-Skizzen, die mit Hilfe des fundierten Handwerks zu perfekter Passform umwandelt werden. Es ist ein konstanter Dialog. Dazu addieren sich Vintage Teile und Accessoires zu einem unverkennbaren Look.

Oben: Yves Saint Laurent Vintage Seiden-Bluse (580).  Unten: Unikat-Tütü Röcke (€ 698)

Wohin geht die Mode? Sie bekommt wieder einen Atelier-Charakter, bindet die Käufer*innen mit ein und schafft eine Individualität, die Spaß bereitet. Was ich trage, trägt keine andere. Meine zweite Haut ist Ausdruck meiner Selbst.

Made to order. Made to measure.

Seiden-Mohair mit Muschel-Futter als eine der Blazer-Optionen. Dazu die emaillierten Muschelknöpfe.

Ich sehe sie schon vor mir, die Blazer und Blusen, die nach eigenem Wunsch entstehen. Einer meiner Lieblinge wird bestimmt die Seiden-Mohair-Jacke mit Muschel-Futter und -Knöpfen sein, die uns draußen im Übergang zum Frühling begleitet oder abends im Sommer am Meer.