Buch Moses 1: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Der erste Tag. Die Erde war wüst und leer, und es lag Finsternis auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war; da schied er das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der erste Tag.“
Am zweiten Tag trennte er den Himmel vom Wasser. Und es gefiel ihm. Es folgte der dritte Tag: „Und Gott sprach: Es sammele sich das Wasser unter dem Himmel an einem Ort, damit man das Trockene sehe! Und es geschah so. Und Gott nannte das Trockene Erde; aber die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war …“
Mit dem Ende der jüngsten Eiszeit vor 10.000 Jahren (weniger als ein Augenzwinkern der Erdgeschichte), füllte das abschmelzende Eis die Nordsee. Der Meeresspiegel stieg um 40 Meter an. Strandwälle entstanden und dahinter die Moore.
Und so legte Gott noch einmal Hand an und schuf vor 6.000 Jahren das Watt und die Salzwiesen, diesen Zwischenbereich zwischen Land und Meer, der täglich zweimal überflutet wird und in dem sich Tausende von Arten ansiedelten, in dem über zwei Millionen Zugvögel ihre Raststätte haben und sich jährlich 100.000 Brutpaare einfinden. Und Gott sah, dass es gut war.
Mittlerweile ist das Wattenmeer mit seinen 4.380 Quadratkilometern der größte Nationalpark zwischen dem Nordkap und Sizilien, 1985 gegründet, seit 2009 Unesco Weltnaturerbe und damit auf gleicher Stufe mit dem Serengenti Park in Afrika und dem Great Barrier Reef in Australien. Er liegt direkt vor unserer Haustür: ein Stück Ursprünglichkeit, einzigartig in Westeuropa.
Unter Naturschutz stehende Strandastern
Am frühen Morgen waren Johannes King und ich in den Salzwiesen in Morsum, abends trafen wir uns wieder zu einer unserer Gesprächsrunden, wie wir sie in diesem Sommer schon mehrfach inszierten. Die Gäste um uns herum, Austern, Snacks und Drinks. Das Wetter spielte mit, wir konnten draußen sitzen.
Wer beginnt? Johannes, der Sternekoch, der vor mehr als 20 Jahren eine Anzeige schaltete, damals noch Chef vom Sölring’Hof: Suche Kräuterhexe. Er fand die Hexe und die Fee, entschied sich für letztere und wurde von ihr eingeführt in die außergewöhnliche Flora, die sich zwischen Meer und Land an das Salzwasser angepasst hat. Der Queller wächst im vordersten Extrembereich, der sogenannte „Pionierzone“, mindestens zweimal am Tag überflutet. In den trockeneren Bereichen findet man Wegerich, Rotschwingel, Strandwermut, Dreizack und Portulak.
Die Salzwiesen kann man zwischen Juni und August „ernten“, wobei wir uns in der verbotenen Zone 1 befinden: nicht betretbar, vor allem nicht während der Brutzeit im Frühjahr. Selbst die Schafe hat man in den vergangenen Jahrzehnten dort reduziert, um der Natur ihre Ruhe zu lassen.
Die Kräuter-Fee wurde Frühstückschefin. Der Queller und die anderen Kräuter landeten auf der Speisekarte oder als Dekoration auf dem Tisch. Rezepte blieben gestern ein Geheimnis oder ich habe nicht richtig zugehört als Doppel-Küchen-Looser. Wir probieren die Kräuter und rätseln über ihre Aromen, die an Koriander erinnern.
Ob diese Gewächse wohl auch in der schlichten, eher ärmlichen Küche der friesischen Vorfahren landeten? Sie kamen im 8. Jahrhundert aus dem Norden Hollands, um sich hier anzusiedeln, wo schon die Wikinger lebten, die von ihnen endgültigen 1100 vertrieben wurden. Seit der großen Sturmflut 1362 übten sie sich in der systematischen Landgewinnung.
Gott schuf das Meer, der Friese die Küste.
Und was macht der Mensch heute daraus, angekommen im neuen Erdzeitalter, in dem er verantwortlich ist für die großen geoklimatischen Veränderungen? Er sollte nicht tatenlos zusehen, wie das Watt „ertrinkt“, wie die Zugvögel nach alternativen Plätzen Ausschau halten, wie das Artensterben voranschreitet.
An diesem Abend bin ich für die Zahlen verantwortlich: Im Sommer 1962 lag die ø Wassertemperatur bei 14°C, 2015 war sie bei ø 17°C angelangt, und in diesem Sommer sehe ich an der Tafel unten bei der Sturmhaube regelmäßig die Werte von 19/20°C. Es hat Auswirkungen auf das fragile Ökosystem, das sich in den Jahrhunderten zuvor selbst regenerieren konnte. (National Geographic, 2023)
Es ist ein sanftes Mahnen an diesem wunderschönen Abend. Köstlich, was Johannes aufgefahren hat, die Austern, die kleinen Matjes-Kreation, die Kartoffeln in geräuchertem Öl geschwenkt. Wir haben es gut miteinander, umgeben von Meer, Watt und Salzwiesen.
„Am Anfang war das Wort“ (Johannes Evangelium, 1, 1).
Erzählen wir von den Salzwiesen, schildern wir ihren Duft, über ihr das Licht des Morgens, probieren wir ihren Geschmack, er gehört zu dieser Insel. Jeder von uns macht es mit seinen Mitteln, Johannes mit seiner Natur-Küche, ich als Designerin mit meinem Anspruch an Nachhaltigkeit, die ich hinter diesem Fenster sitze und die Abende für Euch Revue passieren lasse.
Wir hatten so viele schöne Momente in diesem Sommer mit Euch, erzählten über die Austern, die Cuisine und der Sex, Kunst und Genuss, die Kulturgeschichte der Kartoffel und nun über die Salzwiesen. Gewiss wird uns Weiteres einfallen, das wir mit Euch teilen wollen. Bon Appetit!
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Nun, dieses Gottesgeschenk ermöglicht uns, nachhaltig zu genießen. Wer dies auch in Zukunft mit Augenmaß und Verantwortungsbereitschaft will, muss sich kümmern. Natürlich sind die Mittel, die uns zur Verfügung stehen begrenzt. Wie begrenzt müssen wir beispielhaft daran zur Kenntnis nehmen, dass allein die Waldbrände in Kanada in 2024 die CO2 Bilanz der Erde mit 650 Mio Tonnen belastet haben – deutlich mehr, als ganz Deutschland im vergangenen Jahr ausgestoßen hat…