Gestern veröffentlichte Chanel seine Métier D’Art Show 2020/21 auf Schloss Chenonceau, dem Château des Dames, wie die eigenwillige Anlage auch bezeichnet wird, denn es waren die Frauen, die sein Schicksal wesentlich bestimmten. Diane de Poitier (1499 – 1569) prägte im 16. Jahrhundert das Erscheinungsbild, sie wurde Mätresse und Vertraute von König Heinrich II. Sind wir mit ihm verwandt, es könnte sein?

Katharina de Medici fügte später die Galerie hinzu. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde das Schloss durch Louise Dupin zu einem berühmten Salon, und weitere hundert Jahre danach war es wieder eine Frau, die ihr gesamtes Familienvermögen einsetze, um es aufwendig zu restaurieren …

Der Ort gibt also das Thema vor: selbstbewusste Frauen, die das Schicksal in die Hand nehmen, um es zu gestalten und mit Leben zu erfüllen. Sie tricksten, verführten, fälschten Urkunden, verschafften sich das nötige Geld und intrigierten, damit ihre Vorstellungen Wirklichkeit wurden. Was für ein wunderschöner Kontext. Nur die Mode samt ihren Models kann nicht mithalten. „Stuffy“ nennt es die Kritik, was Virginie Viard, die ehemals rechte Hand von Karl Lagerfeld, hier in Szene setzt: stickig.

Abb: Hochzeit Katharina von Medici mit Heinrich, Herzog von Orléon.

Die Damen der vergangenen Jahrhunderte, die Liebhaberinnen, Giftmischerinnen, Intellektuellen standen wohl kaum Pate bei diesen dürren, muffig dreinschauenden Models, die eine Mode tragen, die an handwerklichem Raffinement kaum zu übertreffen ist, der aber jeglicher Esprit fehlt. So hätten sie auch bei Jeff Bezos durch die Versandhallen von Amazon schreiten können, traurig, trüb, desillusioniert. Schade. Nun braucht unsere Zeit etwas anderes.

Abb: Louise Dupin empfängt den Philosophen Jean-Jacque Rousseau.

Wie hätte es Karl kreiert, der immer den Bezug zum aktuellen Geschehen suchte? Vielleicht hätte er doch die von ihm verhassten Leggings inszeniert mit aufwendigen Bustiers, Ketten, Schürungen und Puffärmelchen, wie auf den Porträts in dem Château des Dames und praktikabel für uns sitzend am Schreibtisch in den Video-Konferenzen …

Aber das Cousinchen und ich, wir wurden ja nicht gefragt. Darum hier mein eigenes Türchen, die No.5 des Adventskalenders, hinter dem sich eine andere Geschichte und ein anderes Frauenbild verstecken: Philomele und Prokne, die zwei Königstöchter, die ihr Leben tatkräftig verteidigten und drüber auf der Flucht zu Nachtigall und Schwalbe wurden. Es ist ein Seiden-Chiffon Tuch aus den Fabeln von Jean de La Fontaine.

Abb: Seidenchiffon Tuch, 70 x 70 cm, Philomele und Prokne (€ 89), Day-and-Night Pullover (€398), Rautenrock (€ 598), Yves Saint Laurent Vintage Gürtel (€1.200)