„1 Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe (…). 3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht. 4 Und Gott sah das Licht, dass es gut war; und Gott schied das Licht von der Finsternis. 5 Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. (…).“ (Altes Testament, Genesis Teil 1)

Es ist mein vierter Tag auf der Île de La Réunion im Indischen Ozean, der neuen Heimat meiner Tochter Roma. Wir haben am Fuße des Piton de La Fournaise campiert. Es ist 5:00 Uhr, am Himmel noch letzte Sterne bevor die Sonne gleich aufgehen wird. Wir wollen den Krater des 2.632 m hohen Vulkans erreichen, einem der aktivsten der Erde, vor 380.000 Jahren entstanden.

Eine Weile geht es mit dem Auto die engen Serpentinen hinauf. Die Landschaft erinnert an die Schweiz, friedlich, weiße Kühe mit Glocken um den Hals auf grünen Hochlandwiesen.

Es wird immer karger, ich muss an die Genesis denken und den Beginn der Welt, in der Gott das Licht von der Finsternis trennte, und sah, dass es gut war. Leise Tränen rinnen mir über das Gesicht, ich kann es nicht ändern, ich bin zutiefst überwältigt. Was tun wir Menschen uns nur an.

Auf der anderen Seite, wenige Kurven später geht die Sonne blutrot hinter dem Vulkan auf. Wie atemberaubend schön ist das, wie überwältigend diese Ursprünglichkeit. Wir bleiben ganz still, verharren einen Moment und steigen wieder ins Auto. Roma drängt zum Gipfel, und ich bin versunken in meinen eigenen Gedanken. Warum Krieg?

Die nächsten Stunden gehören der Wanderung, es ist anspruchsvoll, geht über scharfes Geröll und glitschige Steinbuckel, die die ehemaligen Lavalflüsse zeigen. Mal wärmt uns die Sonne, mal hüllt uns der feuchte Nebel ein, es fällt leichter Nieselregen. Eine unwirkliche Landschaft.

Im Dunst sind wir den falschen weißen Punkten auf den Steinen gefolgt. Der Weg führt uns weit in die Urlandschaft hinein. Hier ist kein Mensch zu sehen, nur Stille. Bis es irgendwann nicht mehr weitergeht, zu gefährlich wird und wir umkehren.

Wir frühstücken in einem Krater, ein wenig von dem Wind geschützt, um dann nach fünf Stunden wieder am Ausgangspunkt anzulanden. Man kann es einen Ausflug nennen, eine Wanderung, oder es ist viel mehr. Jeder geht damit anders um. Es wird uns begleiten.