Es hat mit Wasser zu tun, es hat mit Oberflächen zu tun und es hängt in München, wo ich gerade zwei Tage verbracht habe: Der große Bild-Zyklus „Lepanto“ von Cy Twombly, 2001 für die Biennale in Venedig gemalt. Er besteht aus 12 großformatigen Gemälden, für die das Museum Brandhorst in München eigens einen Saal von 350 qm errichtete. Ich wage eine etwas andere Bildbesprechung.
Vor zwei Jahren habe ich diese komplexe Serie das erste Mal gesehen, zusammen mit Toska, und wir waren beeindruckt, wie überhaupt von der Ausstellung der Twombly Werke, übrigens der größten Sammlung des Künstlers in Europa, dem Museum Brandhorst und seiner konzentrierten Ruhe, die der Kunst den Raum lässt. Nun, nach einem Abend mit den BWM Frauen, einem Vormittag mit der Auswahl von neuen Schuh-Modellen für den Herbst-Winter 2019-20, brauchte ich noch einen Abstecher in diese Welt der Malerei.
Noch bis zum 22. April läuft im Museum Brandhorst die Ausstellung Alex Katz, dem großen amerikanische Künstler, Kind russischer Einwanderer, Bewunderer Jackson Pollocks, der auf so einzigartige Weise den Abstrakten Expressionismus mit der gegenständlichen Malerei verbindet.
Ich kenne seine Arbeiten nicht gut und bin beeindruckt von den großformatigen Porträts, die vordergründig einfach und flach erscheinen und doch die Leinwand zum Vibrieren bringen. Mit wenigen breiten Strichen entstehen Persönlichkeiten, Psychogramme von nahestehenden Menschen, Geschichten wie Ausschnitte aus Filmszenen, alles mit den sparsam-komplexen Mitteln der Malerei … Hätte ich noch mehr Zeit, würde ich stundenlang verweilen, aber ich möchte unbedingt noch einmal den Lepanto Zyklus von Cy Twombly im oberen Stock sehen.
Ich eile die Treppen hoch direkt in den großen halbrunden Raum, mit mir ist nur eine Aufseherin dort, die sich diskret in der einen Ecke aufhält. Wie erhaben es ist, wie still und doch so beredt, ja laut schreien mich die Bilder an und dann wieder ganz leise, ganz traurig, tief traurig.
Die Schiffe, die Galeeren mit ihren Rudern sehen aus wie Augen mit Wimpern, aus denen Tränen fließen. Die Malerei weint. Und ich weine auch. Nein, so etwas ist mir schon lange, lange nicht mehr passiert. Als würde die Kunst durch mich hindurch fließen. Verstohlen wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Hoffentlich hat es die Frau dort hinten nicht gemerkt. Es sind keine heroischen Bilder vom Krieg, von Schlachten, die gewonnen werden, um die europäische Kultur zu schützen. Überall ist Wasser, Feuer, Licht, Angst, Verzweiflung und Sterben. Es soll ein schöner sonniger Tag gewesen sein, als 1571 die Christliche Liga von Genua, Venedig, Spanien und Malta den türkischen Schiffen gegenüber lag. Abends zählte man 40.000 Tausend Tote.
Foto © Cy Twombly Foundation
Als ich in Amerika studierte, lasen wir u.a. auch das Buch von Roland Barthes, dem französischen Philosophen, über Cy Twombly. Lange ist es her und etwas in der Erinnerung verschüttet. Im Museumsshop blättere ich wieder darin und ein Satz daraus fällt mir in die Seele, der alles zusammenfasst über den großen Künstler: „He produces without appropriating anything / He acts without expecting anything / His work accomplished, he does not get attached to it / And since he is not attached to it / His work will remain.“
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