Das erste Kunstgespräch in der Poolstrasse 30: Joseph Beuys und seine Weste. Es sollte ein wenig unsere Art-Lunches während der Corona-Lockdown-Zeit nachempfinden, den rasanten Kunst-Austausch von Dr. Karen Michels und mir einmal die Woche oben im Tempel von 1844. Diesmal fand es auf der anderen Straßenseite in unserem neuen Geschäft statt, mit einer kleinen Gruppe Eingeladener, darunter Thomas Holthoff, Galerist, der zwei Arbeiten von Beuys aus den siebziger Jahren mitbrachte.
Karen fängt an, wo wir KunsthistorikerInnen anfangen: bei Erwin Panofsky und dem Beschreiben, was man sieht: Joseph Beuys trägt eine Angler-Weste, genäht von seiner Frau Eva. Wir stellen uns den Angler vor: stundenlang am Ufer oder im Wasser stehend, wartend, geduldig, im Einklang mit sich, seinen Gedanken und der Natur.
Dazu passt zwar nicht der Hut, ob nun aus England oder dem alteingesessenen Herrengeschäft in Krefeld oder Düsseldorf. Aber, der Mensch und Künstler besteht aus Widersprüchen, und der Hut ersetzt das fehlende Haar.
Karen Michels „fischt“ in der Biographie des Künstlers und zeigt eine erstaunliche Fährte der Naturverbundenheit auf: Als junger Mann arbeitete Beuys als Tierpfleger im Zirkus, 1933 rettete aus dem Scheiterhaufen der Bücherverbrennung ein Band von Carl von Linné, dem berühmten Naturforscher der Aufklärung.
Beuys meldete sich freiwillig zum Krieg, sein Vorgesetzter bei der Luftwaffe war der Naturfilmer Heinz Sielmann. Dann die Geschichte von der Rettung nach dem Absturz mit Filz und Fett, der Jute der Mongolen … Beuys als Schüler von Hubert Mataré, dem Bildhauer der Tiere, Beuys als der Mitbegründer der Grünen. Beuys, der im Ansicht des eigenen Todes die 7.000 Eichen Patenschaft organisiert (1982).
Und so wird die Weste von Joseph Beuys nicht nur zu einem Markenzeichen, stilisiert wie Karl Lagerfeld oder Anna Wintour, die Chefredakteurin von Vogue. Nein, sie wird viel mehr, sie wird zu einer Ikonographie von Kunst, Leben und Natur. Sie zeugt von einem, der still verharren kann, dem Schamanen, der verbunden ist mit der Welt, und der nicht müde wird als einer der Ersten zu mahnen …
„Wer die ‚Natur‘ des Menschen und die Natur betrachtet, der nimmt wahr EIN GROSSES LEIDEN. Unser Verhältnis zur Natur ist dadurch gekennzeichnet, daß es ein durch und durch gestörtes Verhältnis ist. Was zur Folge hat, daß die Naturgrundlage, auf der wir stehen, nicht nur gestört, sondern sogar restlos zerstört zu werden droht.“ (Joseph Beuys 1970er).
vielen dank für die schönen Bilder und den angenehmen Text.