Der Tag hat soeben begonnen. Bin vor dem Weckerklingeln aufgestanden, barfuss über das nasse Gras gelaufen, habe einen Regenbogen fotografiert, meinen Kaffee gekocht, ein paar Tränen vergossen, ganze wenige (die gehören fest zu diesem Datum). Lese den Brief an mich aus Bonn, handgeschrieben: „…bleiben Sie leidenschaftlich im Schauen und Protokollieren Ihrer Umwelt…“, wie schön formuliert, das bleibe ich, versprochen.

Ich bin eine Weltmeisterin im Jonglieren „von dem, was da kommen möge“ (sagte immer ein alter Freund), das ist die Gabe der Optimisten. Nicht so einfach, mit so einem Charakter auf die Welt gekommen zu sein, denn er verlangt ein „Unermüdlich“, wie anstrengend. Ich soll „mein Ding machen“, „mir selbst treu bleiben“, steht in einer sms kurz nach Mitternacht. – Gut, auch das ist versprochen. Eine Leserin schreibt: „…wie sehr bewundere ich Sie für Ihren Mut… sich mit so viel Elan Neuem zuwenden, es aushalten, dass noch nicht alles genau planbar ist, das Leben mit Ungewissheiten – aber DER optimistischen Gewissheit, dass es weitergeht, gut weitergehen wird.“ Solche Sätze helfen, danke dafür.

Die Schwierigkeit ist nicht das Unbestimmte, im Gegenteil, das besitzt seinen Zauber und seine Verheißung. Das Problem sind die permanenten Tempowechsel von vorpreschen und verharren, rennen und bremsen, sich drehen und abrupt die Richtung wechseln, besinnlich, tastend, schleichend und dann wieder temperamentvoll, energisch nach vorn, still sitzen und fröhlich aufspringen, ungeduldig sein und gleichzeitig souverän die Dinge laufen lassen. Dabei immer gut aussehen (Sassa, danke für die Intensiv-Creme „zum sofortigen Gebrauch“).

Eine Freundin und ich saßen Anfang des Jahres zusammen, sie wünschte sich ein langweiliges Jahr, ich wünschte mir ein aufregendes Jahr, von Pandemie noch keine Anzeichen. Wir haben beide letzteres bekommen. Ich scharre mit den Hufen und sitze gleichzeitig nachdenklich an meinem Fenster mit dem Blick in den Garten. „Que sera sera …“

Pling. Noch eine SMS, es ist mittlerweile 06:52 Uhr und das Meer wartet: „Wishing you the contrary of ‚bleib so wie Du bist‘.“ – Danke, genau das! Ich umgebe mich wieder mit Jean de La Fontaine, geboren am 8.7.1621, meinem treuen Geburtstags-Alter-Ego. Dem Erzähler gehört die Welt, in die ich hineinlausche, mysteriös, „sauvage“, bunt oder grau.

Abb: Jean de La Fontaine, Seidenchiffon, 70 x 70 cm, Geburtstags-Edition (€ 80 zzgl. Versand).

Einverstanden, ich versöhne mich mit meinem Geburtstag, irgendwie liebe ich die 8, stellt man sie quer, wird es ein ∞ (unendlich). Dann springe ich mal wieder auf die Achterbahn, wie die Modewelt sie vorgibt: Always different, always the same.