„Elegance is refusal“, Eleganz – oder Stil würde ich ergänzen – ist Verweigerung. Seit gestern kaue ich auf diesem Satz herum, den ich während meiner Recherchen bei Diana Vreeland fand, der legendären Chefredakteurin von Harper’s Bazar und Vogue in den 1960er Jahren. Es ist ein Kernsatz in ihrem Buch „Allure“, den man erst einmal verdauen muss, scheint er doch allem zu widersprechen, was man mit Eleganz und Stil verbindet … – Also, was ist Stil nun wirklich? Tief tauche ich ein in die Vorbereitungen zu meiner Vortragsserie auf der EUROPA im März. Sechs Themen sollen es insgesamt sein, und ihr dürft an den Überlegungen zu jedem Beitrag teilhaben…

Was ist Stil

„Mode ist vergänglich, Stil bleibt“, so sagte es Coco Chanel, vielleicht die größte Stilikone des 20. Jahrhunderts bis heute. Yves Saint Laurent schrieb, dass es ihm nicht um Mode ginge, sondern um Stil. Er erfand den Hosenanzug für die Frauen. Und bei Gunter Sachs, einer der schillerndsten Figuren der 1960er Jahre, verheiratet mit Brigitte Bardot und umgeben von den schönsten Frauen der Zeit, entdeckte ich in einem Interview: „Stil im Leben ist für mich eng verbunden mit Weltgewandtheit, Bildung, Takt und Humor mit einem guten Schuss Selbstironie. Wie bei vielen Dingen sind Intelligenz und Geld willkommene Paten, aber keine Notwendigkeit. Und als homöopathische Zutat eine Prise Diabolo.“ 

Was ist StilWas ist SylGrace Kelly

Jackie Kennedy und später Jackie O(nassis), Audrey Hepburn, Grace Kelly, sie sind die faszinierenden Frauen des 20. Jahrhunderts, die mehr als eine Generation prägten. Ihr Stil ist Eleganz, Natürlichkeit und … Verweigerung? Bleiben wir dem ungewöhnlichen Begriff auf der Spur. Jackie und die klare Silhouette, Audrey und das mädchenhaft getragene Kleine Schwarze, Grace und die Perlenkette.

Brigitte BardotWas ist Stil

Brigitte Bardot, Schmollmund, die Blume im Haar, unangepasst, unkonventionell, frei und sexy. Marilyn Monroe, keine Spur weniger erotisch, aber zerbrechlicher, weiblicher. Wo die eine barfuß am Strand entlang läuft, lässt sich die andere den Wind  aus dem U-Bahnschacht unter das Kleid pusten. Zwei große Persönlichkeiten, die stilprägend wurden. Was oder wem haben sie verweigert? Die Etikette, die eine, die Vereinnahmung, die andere?

TwiggyLoulou de la FalaiseJane BirkinGlastonbury-Music-Festival-2005-Day-3

Loulou de La Falaise, Jane Birkin, Twiggy, Kate Moss … die Kindfrauen, die androgynen Heroinen, die sich einen Dreck um die Konventionen scherten, die ihren Stil der Straße entliehen, die zwanglos zwischen Salavation Army und Haute Couture kombinierten und dabei den Bohemians Chic erfanden. Nie vergesse ich das Bild von Kate im Kleidchen mit Gummistiefel durch den Matsch, übernächtigt, sinnlich, unkonventionell. Da haben wir es „refusal“ = gegen die überlieferten Traditionen.

Marie Antoinette

Kommen wir zur vielleicht ersten Stilikone überhaupt: Marie Antoinette, Königin von Frankreich, die zwar ihren Kopf unter der Guillotine ließ, aber bis dahin sich selbst feierte. Als 14-Jährige kam die Österreicherin nach Versailles, um Ludwig den XVI zu heiraten. Wie ein Teenager flüchtete sie in das Partyleben, erfand neue Kleidermoden, baute sich ihr kleines romantische Idyll vor den Toren des Palastes, trug weiße Musselin Kleider im eleganten „Schäferinnen“ Look. Der Hofstaat und die Bourgeoisie machten es ihr nach, die Luxusindustrie von Paris boomte. Sie lebte eine neue Eleganz in der Verweigerung der vorgegebenen Etikette. Dass sie dabei aneckte und zur meist gehassten Figur Frankreichs wurde, schien sie nicht zu interessieren. Sofia Coppola setzt ihr 2006 ein filmisches Stil-Denkmal.

Also, was ist nun Stil oder Style? Er hat nicht vordergründig mit Mode zu tun, sondern bedient sich nur ihrer. Stil ist Ausdruck von Persönlichkeit und steht oft in Kontrast zu den Konventionen der Zeit oder lehnt diese sogar entschieden ab. Stil reicht von dem Duke of Westminster, der sich die Schnürsenkel bügeln ließ, über Coco Chanel, die Luxus mit Modeschmuck verband, Josephine Baker, die mit ihrem Leoparden einkaufen ging, Mia Farrow und ihrem Pixie Look, bis hin zu den Provokation von Madonna und weiter zu der tragisch exzentrischen Amy Winehouse. Stil besitzt man oder besitzt man nicht oder kann man lernen, gewiss, und verändern, entdecken und damit sich entdecken, sich anpassen … aber auf keinen Fall den anderen anpassen.

Josephine BakerMadonnaAmy Winehouse

PS: Freue mich über Kommentare und Anregungen … – Fortsetzung folgt!