… und die Räume verändern und das Miteinander in diesen Räumen vertraut machen. Ach, ich komme schon mit den ersten Zeilen ins Schwärmen, wenn ich an unseren Abend mit Dr. Josef Kleinheinrich, seiner Frau Bernadette und den Gästen zurückdenke. Seit vergangenem Donnerstag sieht das Kapitänshaus in Kampen nicht nur anders aus, sondern fühlt sich auch anders an. „Living with Art“, war eine von mir schon oft genutzte Überschrift. „Living with Books“ müsste man unbedingt hinzufügen.
Oben: Bernd Koberling, Ohne Titel, 2005 (€ 3.600)
Wahre Editions- und Unikat-Schätze holte der Verleger aus Münster aus seinem Auto. Frühherbstlicher Sonnenschein auf der Insel. Schnell waren wir uns einig, was an welche Wand kommt: Markus Lüpertz, Bernd Koberling, die Japanerin Kazuko Okano, der Schwede Peter Frie. Die Buch-Editionen stapelten sich vorerst auf dem Tisch. Nun war es an mir, Ordnung zu schaffen, damit alles miteinander in harmonische Resonanz kommen kann. Es hat beinahe zwei Tage gedauert, jedes Teil wollte angefasst und neu arrangiert werden. Das Haus schrumpfte und dehnte sich wieder aus, bis alles fertig war für die Vernissage und das einführende Gespräch.
Josef Kleinheinrich liebte immer schon die Bücher, studierte Literaturwissenschaften, Philosophie und Skandinavistik, ging mit einem DAAD Stipendium nach Kopenhagen.
Er lernte Schriftsteller, Lyriker*innen und Künstler kennen, woaus sich Freundschaften entwickelten, die zu langjährigen Kooperationen wurden, geprägt von dem feinsinnigen Verständnis für die kreative Sprache des jeweils anderen.
Er beginnt mit dem „alfabet/alphabet“ von Inger Christensen. Was für ein Zufall, wo ich doch gerade die „Encyclopedia“ zu meinem Kollektionsthema gemacht habe. Stellen wir es uns laut als Singsang der Buchstaben mit assoziativen Wörtern vor:
„die aprikosenbäume gibt es, die aprikosenbäume gibt es // die farne gibt es; und brombeeren, brombeeren// und broom gibt es; und den wasserstoff, den wasserstoff // die zikarden gibt es; wegwarte, chrom // und zitronenbäume gibt es; die zikaden gibt es; die zikaden, zeder, zypresse, cerebellum … „
Bernd Koberling, Ohne Titel. Aquarell (€ 3.600)
Wir sitzen zwischen den Aquarellen von Bernd Koberling (*1938), eine wichtige Künstlerpersönlichkeit, die man den „Neuen Wilden“ zuordnet. In seinen Aquarellen entdecke ich ihn, großformatig hängen sie vor den Delfter Kacheln und kleinformatig über dem Bücherregal sowie hinter dem Tisch mit der türkisfarbenen Wand.
Bernd Koberbling, Ohne Titel, Aquarell (€ 1.600)
Kleinheinrich erzählt uns von Koberlings Liebe zu Island, wie er draußen an einem langen Tisch die Papiere ausbreitete, daneben die Textvorlagen. Die hier ausgestellten Arbeiten illustrieren die Gedichte der islandischen Lyrikerin Linda Vilhjàlmsdòttir. Kleinheinrich hat dazu das Buch (€ 45,00) verlegt, allein der Einband ist schon eine visuelle Freude.
Bernd Koberling, Ohne Titel, Aquarell (€ 1.600), Monotypien signiert, 2003 (€ 800), Buch (€ 45)
An der Ruby-roten Wand befinden sich zwei große Lithographien von Markus Lüpertz (*1941) aus der Graphik-Mappe „Taufe“, ca. 2020. Es sind Studien zu den Kirchenfenstern für St. Andreas in Köln. Zart, schmerzerfüllt und zugleich kraftvoll und mächtig in ihrer malerischen und ikonographischen Sprache. Lüpertz, der Malerfürst, der zu Josef Kleinheinrich einmal sagte: „Ich bin ein ganz einfacher älterer Mann, nur gut gekleidet.“
Markus Lüpertz, Taufe, Lithografien, Mappen mit 20 Blättern (€ 24.000), Einzelblatt gerahmt, EA (€ 2.200)
Auf der Bank, wo vorgestern Abend die Gäste saßen, liegt die Ausgabe „Sardische Strophen“ mit Gedichten von Anne Duden und Aquarellen von Gotthard Graubner (1930 – 2013), dem wichtigen Vertreter des deutschen Informel. Fantasisch der Druck, als würde man ein duftiges Original berühren. Signiert und nummeriert, Auflage 250, € 900.
Gotthard Graubner, Sardische Aquarelle, Auflage 250, signiert und nummeriert (€ 250)
Eine energetische Ruhe zeichnet alle Bücher und Kunstwerke aus. Leise und doch vernehmbar, lernen wir, ohne es zu merken, wieder zuzuhören. Ein Grund, Gedichte zu lesen, vor Bildern zu verharren und in schönen Büchern zu blättern!
Klein, zart und berührend in ihren erzählerischen Gesten sind die Zeichnungen der österreichischen Schriftstellerin Friederike Mayröcker (1924 – 2021). Vorsichtig sind sie mit Stecknadeln auf der Wand fixiert.
Friederike Mayröcker, Buch und Originalzeichnung (€ 600)
Zum Schluss noch die Arbeiten der Japanerin Kazuko Okano (*1944), die in Paris lebt und dort über die Flohmärkte geht, um alte Stoffe zu sammeln, die sie in ihre abstrakten organischen Werke einfügt. Ich kann mich nicht sattsehen, welche Ausstrahlung die Bilder besitzen und alles rundherum verzaubern. Zu den gerahmten Werken gibt es eine Mappe mit weiteren Arbeiten (ungerahmt € 2.000 – 2.400, gerahmt € 2.600).
Kazuko Okano, Stoff und Tusche (€ 2.600)
Fäst hätte ich Peter Frie vergessen, dabei sind mir seine Landschaften und Seestücke doch so vertraut. Das Gesehene wird zur Erinnerung und beschreibt wesenhaft unser Leben an der Küste. Genauso sah es heute morgen am Strand aus. Der Himmel, das Meer, die Ausblicke, sie sind Geschautes, das zur Innenschau wird.
Peter Frie, Öl auf Papier (€ 2.200)
All diese Künstler gruppieren sich um diesen schmalen großen Mann, der neben mir steht. Sorgfältig gekleidet, nichts ist zufällig und alles wirkt doch natürlich, selbstverständlich, spricht die gleiche Sprache wie die Bücher, ihre Bindung, die bedruckten Umschläge und Hüllen aus Pergamentpapier.
Ich fühle mich geehrt, diese Auswahl zeigen zu dürfen. Die Ausstellung geht noch bis Mitte Oktober. Spontan haben wir heute Morgen verabredet, eine Lesung mit Gedichten von Inger Christensen „alfabet/alphabet“ zu machen, im Wechsel Josef auf Dänisch und ich auf Deutsch. Wir laden Euch herzlich ein für den kommenden Freitag, den 3. Oktober, um 17:00 Uhr zu Roma e Toska ins Kapitänshaus in Kampen.
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MEN’S SHIRT RUDBECKIA, MULTI
€498,00 inkl. Mwst. -
RUDBECKIA LEUCHTE KLEIN, GELB-HELLBLAU
€1.800,00 inkl. Mwst.