Nun muss ich wirklich in mich hinein schmunzeln, denn ich sitze bei aufgehenden Sonne am Schreibtisch in Kampen auf Sylt und lese mich so durch die Geschichte von Jean de La Fontaine (1621 – 1695). Der Spagat der Welten könnte kaum größer sein. Der Hund döst lang ausgestreckt vor der Tür und ansonsten ist es noch still auf der Insel. Dieser große französische Fabelerzähler hatte ein durchaus wechselvolles Leben und die Schriftstellerei schien ihm nicht in die Wiege gelegt. Er gehörte wie sein Vater zum niederen Amtsadel mit einem Schloss, immerhin. Zunächst begann er lustlos ein Theologie-Studium, brach es ab, wechselte zur Juristerei, hatte daran aber auch keinen Spaß, kennt man ja aus der eigenen Familie, also entspannt bleiben mit den Kindern.
Als nächstes ließ er sich mit der 14-Jährigen Marie Héricart verheiraten und lebte im Haus des Schwiegeronkels. Sein Dasein schien so vor sich hinzudümpeln. Erst um 1665, mit über 40 Jahren nahm sein literarische Leben Fahrt auf, die Ehefrau und den Sohn parkte er seinem Château Thierry und wurde einer der „gentilshommes ordinaires“ (Edeldomestiken) der Witwe des Bruders von Ludwig XIII, mit der er bis zu ihrem Tod 1672 im Palais du Luxembourg in Paris lebte.
Als Marguerite de Lorraine starb fand de La Fontaine Unterschlupf bei Madame de La Sablière, die einen der wichtigsten schöngeistigen Salons in Paris führte. Die Königinnen auf dem Schachbrett schieben sich hin-und-her um den Erzähler. Nur einer schienen seine Geschichten nicht zu gefallen, obwohl ihr Leben selbst ein ganzes Buch hätte füllen können: Françoise d’Aubigné und spätere Marquise de Maintenon, die in morganatischer Ehe mit Ludwig dem XIV verheiratet war. Wie ich dieses Wort seit den Anfängen meines Kunstgeschichtsstudium liebe, es heißt „die Ehe zur linken Hand“, was bedeutet, dass die Frau weit unter dem Stand des Mannes ist. (Bin ich übrigens auch. Die Grafen Tyszkiewicz sind mit Louis IX verwandt).
Der Sonnenkönig liebte Françoise, die in einem Gefängnis geboren wurde, die Mutter war Katholikin, der Vater Hugenotte. Als das Mädchen kaum 10 Jahre alt war, beschloss der Vater auf die Antillen auszuwandern, besann sich dort eines Besseren und ließ Frau und Tochter in der Ferne sitzen. Ein Netz von Beziehungen wurde ausgeworfen, mit deren Hilfe sie zurück nach Paris kamen und die junge Françoise in die Adelskreis angeführt wurde bis sie im für damalige Verhältnisse fortgeschritten Alter zur Mätresse des Königs und späteren Linkerhand Ehe-Frau avancierte. Mit so einem Leben müsste man eigentlich die Fabeln von Jean de La Fontaine lieben, aber fromm wie sie war oder wurde, tat sie alles, dass der König nur zögerlich den Veröffentlichungen des Schriftstellers zustimmte. Was blieb dem kränkelnden Jean de La Fontaine anderes übrig, als auch fromm zu werden und sich von seinen Schriften zu distanzieren.
Wie schade, zum Glück hat er sie nicht verbrannt, so dass sie heute noch jedes Kind in Frankreich und auf der Welt lesen kann. Und wir haben nun den richtigen Stoff für den Smalltalk beim nächsten Brunch oder der Cocktail-Party, natürlich gekleidet mit Tuch, Blazer oder Bluse mit den Fabeln von Jean de La Fontaine.
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