Sonntag, ich weiß, ich bin wieder spät dran, aber der Artikel von meiner Tochter Roma (24), die in Toulouse lebt und an Ihrer Magister Arbeit über den amerikanischen Philosophien William James (1842 – 1910) sitzt, musste noch ein wenig hin-und-her bewegt werden: „The Will to Believe“. Er passt nicht zu einer Kollektion, er passt vielleicht auch nicht zu einem Sommertag wie heute. Aber er ist eine willkommene Gelegenheit des intensiven Zwiegespräches, wo auch immer und mit wem auch immer.
Ein wenig muss ich allerdings bei diesem Aufsatz in mich hinein lächeln: wir zwei, Mutter und Tochter, beide Querdenkerinnen und doch … Während Roma über einen Glaubenspragmatismus des Möglichen forscht und philosophiert, lebe ich beständig im gewollten Chaos und Glauben an das Unmögliche. Mal schauen, auf welcher Ebene wir uns begegnen werden. Hier ihr Beitrag:
William James „Der Wille zum Glauben“ by Roma Tyszkiewicz:
Stellt euch einen Bergsteiger vor, der Mitten im Aufstieg hängen bleibt und nicht weiter kann. Er verharrt dort mehrere Meter in der Höhe und ein Sturz wäre fatal. Er schaut um sich herum und sieht eine Plattform ein Stückchen weiter von ihm entfernt. Er könnte es schaffen, wenn er springt. Doch er ist nicht besonders erfahren und ist noch nie in so einer Situation gesprungen. Er hat also keine Garantie, dass ihm der Sprung gelingen wird. Gleichzeitig spürt er, wie sein Griff sich lockert, und er droht abzurutschen. Er schließt die Augen, holt tief Luft und wagt den Sprung.
William James veröffentlichte 1898 seinen berühmten Essay „The Will to Believe“, in dem er auf 30 Seiten seinen Pragmatismus zum Glauben erklärt. Was genau hat den Bergsteiger dazu bewegt, den Sprung zu wagen. Er hat sich entschieden zu glauben. James baut auf der Idee auf, dass der positive Glaube der Motor ist, der uns dazu veranlasst, unsere Ideen und Theorien in die Tat umzusetzen.
Die Schönheit in diesem philosophischen Ansatz liegt darin, dass wir es mit einer rationellen Glaubensphilosophie zu tun haben, denn für James ist es unmöglich, an etwas zu glauben, was die Rationalität uns verbietet. Wäre die Plattform des Bergsteigers zehn Meter entfernt gewesen, so hätte er nicht daran glauben können, dass er es schafft. Ist sie aber einen Meter von ihm entfernt, so weiß er aus Erfahrung und aus Kenntnis seiner Kräfte, das der Sprung möglich ist.
Für James gibt es den positiven Glauben: ‚Ich schaffe das!‘, sowie den negativen Glauben: ‚Ich schaffe das nicht!‘ Und letztendlich den Problematischsten, den Gar-keinen-Glauben. James gibt hier das Beispiel von einem Mann, der nicht genau weiß, ob seine Freundin, die richtige für ihn ist. Konzentriert er sich auf einen positiven Glauben, so wird er die schönen Seiten an ihr sehen, und vielleicht erkennen, dass er keine schlechte Partie macht. Ist es ein negativer Glaube, so wird er auch systematisch das Haar in der Suppe suchen. In beiden Fällen wird es zu einer Aktion kommen: entweder er heiratet sie, oder er verlässt sie. Kein definitiver Glaube bedeutet, sich kontinuierlich in einem Zustand des Zweifelns zu befinden und sich daher nicht entscheiden zu können. Es ist ein Stillstand, den James mit einem General vergleicht, der die Schlacht verliert, weil er gar nicht aufs Feld gezogen ist.
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