Meine Tochter Roma (24) hat erneut einen Beitrag für diesen Blog geschrieben. Es dreht sich um die ungeschönte Einzigartigkeit des Polaroid Fotos. Und sofort fällt mir dazu der Philosoph Walter Benjamin ein und sein Aufsatz über „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (1936), wie die Fotografie unsere Rezeption von Kunst und damit auch die Kunst veränderte. Bei Roma geht es weitaus alltäglicher daher und dennoch hängen die Dinge irgendwie zusammen, denn es handelt von unserer erinnernden Wahrnehmung der Welt, die heute pausenlos reproduzierbar mit manischem Handy-Knipsen festgehalten wird, mit sofortige Posts, geteilten und veröffentlichte Bildern in den sozialen Netzwerken … im Gegensatz zu der privaten Einmaligkeit des Polaroid-Fotos. Hier Ihr Bericht:
Roma: Im November schenkte mir meine Mutter eine Fujifilm (Polaroid ähnliche) Kamera, weil sie jetzt mit ihrer Handy-Polaroid-App ihre Fotos macht. Anlass für mich, einen kleinen Artikel über dieser „altmodische“ Art der Fotographie zu schreiben. Dafür habe ich gestern fünf Freundinnen für eine Roma-e-Toska-Polaroid-Party eingeladen und sie in verschiedene meiner Blusen eingekleidet. Das allein war schon eine große Freude für mich mit einer gewissen Portion an Stolz. Jede hatte, passend zu ihrer Persönlichkeit, sich „ihre“ Bluse ausgesucht und so saßen wir im Wohnzimmer und amüsierten uns mit meiner Kamera.
Was ist so besonders an einem Polaroid-Foto, dass ich darüber schreibe? Warum werden diese Retrostil Kameras immer beliebter ? Und warum sind sie meiner Meinung nach nicht gleichzusetzen mit der entsprechenden App auf dem iPhone?
Abb: Robert Mapplethorpe. Patty Smith und Judy Lynn, ca. 1974. Literatur: Mapplethorpe „Polaroids“
Erstens: Die Einzigartigkeit des Fotos. Wir sind mittlerweile so daran gewohnt mit unseren Handys eine Million Fotos von dem gleichen Motiv zu schießen, um dann vielleicht das vermeidlich „Beste“ heraus zu suchen. Auf diesem ist der Blick ein bisschen hübscher; hier guckt der Hund in die richtige Richtung; auf dem anderen sind weniger Haare im Gesicht und so weiter und so fort. Mit einem Polaroid kann man das nicht wirklich. In einem Film sind 10 Fotos enthalten und teuer ist er auch noch, dass man nicht eben mal schnell 10 Fotos vom gleichen Sujet machen will. Nein, das Foto ist das Foto. Eingefangen in einem ganz bestimmten Moment, ohne die Möglichkeit, es zu retuschieren, einen Filter drauf zu legen oder mit den Kontrasten zu spielen. Wir bekommen hier eine ganz neue Vision über das perfekte Foto, oder besser gesagt, wir entdecken eine alte Idee von der Einzigartigkeit wieder. Das Foto ist schön auf seine ganz eigene sentimentale Art und Weise. Und man freut sich über jeden gut platzierten Schuss umso mehr.
Zweitens: Die Erinnerung und das Fotoalbum. Wenn wir mal ehrlich sind: Wie oft schauen wir uns alte Fotos auf unserem Computer oder auf unserem Handy wieder an? Tausend Fotos vom gleichen Abend, zig Mal der gleiche Sonnenuntergang von einer Reise. Man hat sich vielleicht die Besten schon rausgesucht und diese auf Instagram oder Facebook gepostet, aber selbst diese alten Posts sind vergessen, es sei denn man bekommt eine „Erinnerung“ von Facebook erstellt. Ein Polaroid-Foto ist gleich ausgedruckt und man kann es sich ins Portemonnaie stecken oder in die Agenda kleben, an die Wand pinnen oder in einer Fotobox aufbewahren.
Abb: Polaroid-Foto von Roma und Toska, muss wohl so um 1999 gewesen sein, steht unvergilbt (zum Glück) auf unserer Fensterbank.
Sind das nicht ganz besondere Freuden, wenn man so eine Schachtel wiederfindet und darin stöbert. Eine kleine Kiste voll besonderer Erinnerungen. Dieses ganz besondere glücklich-nostalgische Gefühl besitzt man nicht, wenn man einen Foto-Ordner auf dem Computer öffnet, oder auf dem Handy zu den älteren Fotos runter scrollt.
Abb: Roma’s Wohnung in Toulouse mit rechts an der Wand den Polaroids
Drittens: Das Private. Wenn wir Fotos mit unseren Smartphones machen, haben wir sofort einen Post-Reflex, einen WhatsApp Automatismus, wie kann ich dieses Foto bearbeiten, um besonders viele Likes und Herzchen auf Instagram und Facebook zu bekommen. Natürlich lässt sich auch ein Polaroid abfotografieren, um es in den sozialen Netzwerken um die Welt zu schicken. Zu dem ausgedruckten Polaroid Foto entwickele ich eine ganz andere Beziehung, da ich es vollkommen für mich behalten kann. Als ein kleines Foto-Schmuckstück für meine Erinnerungsbox habe ich gar nicht unbedingt die Absicht besonders „instagramig“ darauf aussehen zu wollen. Es ist Spaß und Freude, nur für mich. Und genauso lief auch das Shooting gestern. Capture the Moment! Und das nur für uns (und diesen Artikel natürlich).
Abb: Toska’s Wohnung in Berlin mit den Polaroids an der Wand.
Als ich mit meiner Schwester Toska in Berlin unterwegs war, hatten wir jeder unsere Polaroid Kamera dabei und behielten mit diesen Fotos unser gemeinsames Wochenende fest in der Erinnerung. Diese Bilder sind für mich auf ihre ganz eigene, unperfekte, unpräzise und besondere Art einzigartig, und ich werde sie darum ganz besonders für mich bewahren. ENDE
BT: Wer Lust hat, kommt vorbei auf ein Polaroid Foto für die Sedcard. Heute in der MILCHSTRASSE 11 von 12 – 14.30 Uhr oder in der kommenden Woche immer von 11 – 19 Uhr.
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