Ich kenne die Kulturreporterin und Journalistin Christiane von Korff schon seit Ewigkeiten und zusammen mit der dritten Freundin im Bunde sind wir das unschlagbare „Girls Trio“, das ohne Punkt und Komma die Nacht durch diskutiert, tanzt, wenn die anderen schon schlaftrunken auf dem Sofa abhängen, und uns endlos schwören, das wir uns bald wiedersehen, was dann immer erst Halbjahres später ist. Letzte Woche kam Christiane zur Eröffnung Milchstrasse 11 und ließ sich von mir einkleiden. Die anspruchsvolle Intellektuelle mit Vorliebe für enge Jeans und DVF Wickelkleider, verschaffte sich einen etwas anderen Look mit einer weicheren Hülle. Und auf ging’s nach Amsterdam, den Koffer gefüllt mit „East meets West“ Roma e Toska, Poncho von marte maglia sowie versehen mit meiner Bitte nach einem kleinen Reisebericht:
Reise durch die Zeit
Von Christiane von Korff
Schriftsteller – ob Isabel Allende, Vargas Llosa oder Zeruya Shalev entführen mich in andere Länder, Welten und Zeiten. Jetzt reise ich für zwei Tage nach Amsterdam. Dort habe ich mehrfach Leon de Winter interviewt. Ein streitbarer und höchst unterhaltsamer Autor, der gerade mit seinem neuesten Roman „Geronimo“ Furore macht.
Diesmal treffe ich einen der jüngsten Start-Up Unternehmer des Nahen Ostens: Danish Farhan aus Dubai. Der Investor berät Unternehmen wie Gucci, Armani sowie den Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Nach seinem Vortrag in Oslo über digitale Strategie macht er einen kurzen Ausflug nach Amsterdam. Begeistert erzählt er mir vom Zukunftsmuseum mit dem Dubai ein neues spektakuläres Gebäude bekommen wird: Es hat die Form eines auf der Seite stehenden ovalen Rings.
„Falls Sie“, sagte Farhan, „zur Eröffnung des Museums kommen, werde ich Sie mit Wissenschaftlern bekannt machen, die in unserem Zukunftslabor Gesundheit, Bildung, intelligente Städte, Energie und Verkehr erforschen.“ (BT: Ich sehe sie schon mit ReT Koffer nach Dubai fliegen.)
In Amsterdam will ich nicht in die Zukunft, sondern in vergangene Zeiten reisen. Im van Gogh Museum bewundere ich das Licht, das auf das »Weizenfeld im Gewitter» fällt. Dieses Bild hat der Künstler in Auvers-sur-Oise in seinen letzten Lebensjahren geschaffen. Bei der Arbeit fiel ihm fast der Pinsel aus der Hand, aus Sorge um seinen finanziellen und künstlerischen Status. „Ich fühle mich auf der ganzen Linie gescheitert“, schrieb van Gogh in Auvers.
Zu Lebzeiten war er völlig auf Zuwendungen seines jüngeren Bruders Theo angewiesen. Das Porträt, das er von ihm malte, erzielte 1990 – genau 100 Jahre später – einen weltweiten Rekordpreis von 82,5 Millionen Dollar. Was würde sein Schöpfer wohl dazu sagen, dass seine Bilder zu den teuersten Gemälden unserer Zeit gehören?
Van Gogh war 37 Jahre alt, als das schönste Jugendstilgebäude Amsterdams eingeweiht wurde: Das American Hotel. In dessen Restaurant entfaltet sich die ganze Pracht des Art déco.
Weiter geht’s ins Rijksmuseum, dem Reichsmuseum, das berühmt ist für seine Sammlung holländischer Meister. Zehn Jahre Jahre wurde es restauriert und umgebaut. Hier ist natürlich Rembrandts »Nachtwache» ein Muss. Dies denken auch – gefühlt – hundert andere Touristen, als ich einen Blick auf das Spitzenstück erhaschen will. Nach einigen Anläufen gelingt es mir dann doch, einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern.
Welch’ ein Bild! Es zeigt ein für die damalige Zeit ganz typisches Motiv: Eine Amsterdamer Schützenkompanie hat sich um ihren Hauptmann Frans Banning Cocq versammelt. Ich fühle mich in die Szene hineingezoomt, denn die Figuren sind Menschen – und keine Staffage wie auf den Bildern von Rembrandts Zeitgenossen. Mit seiner Technik revolutionierte der Meister die Malerei. Denn jede der 34 Personen erzählt ihre Geschichte, und stellt ihre Rolle dar, die sie in der Bürgerwehr spielt. Die Bürgerwehren kämpften achtzig Jahre um die Loslösung von der Herrschaft der spanischen Krone. 1648, fünf Jahre nachdem Rembrandt das Gemälde vollendet hatte, erkannte Spanien mit dem Westfälischen Frieden die Unabhängigkeit der nördlichen Niederlande an.
Zu jener Zeit trugen die Damen ein höchst sperriges Kleidungsstück: die Krinoline. Ein Reifrock, geschneidert aus Rosshaar und Leinen, im 19. Jahrhundert dann aus Federstahlbändern gebaut. Wie unbequem und einengend, so kriegt der Mann die Frau unter Kontrolle. Außerdem nicht sehr kleidsam, finde ich, als ich mich hinter das Pappmaschee einer Dame aus dem 18. Jahrhundert stelle. Gut, dass dieses Modell aus der Mode gekommen ist, denn darin könnte ich mich so gut wie nicht bewegen.
Im kurzen Rock hingegen flaniere ich ganz beschwingt durch das Grachtenviertel. Blauer Himmel, frische Briese, ich schlendere entlang der Kanäle mit ihren bunten Hausbooten und setze mich in eins der Straßencafés. Viele Fahrradfahrer und coole Typen. Holländer sind so herrlich entspannt. Und das Venedig des Nordens, mit seinen Giebelhäusern, Salons und barocken Gärten ist eine Augenweide. In den Stadtpalais wohnten früher wohlhabende Bürger. Heute residieren hier Versicherungen, Banken, Anwaltskanzleien. Willkommen im 21. Jahrhundert!
Christiane von Korff ist Kulturreporterin und Autorin für Spiegel Wissen, stern, die Zeit. Ihr Markenzeichen sind Porträts und Gespräche mit Persönlichkeiten aus Kultur und Literatur. Gemeinsam mit Avi Primor schrieb sie das Buch „An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld. Deutsch-jüdische Missverständnisse“.
Und nachdem Christiane mir den Artikel übergeben hat und den USB-Stick mit den Fotos aus der engen Hosentasche herausfischt, sind wir schon wieder on Tour. Diesmal zur Nachbarin Anke Degenhart, die den Fotografen Hubertus Prinz zu Hohenlohe in ihrer CrossOver Galerie in der Milchstrasse vorstellt. (Christiane trägt: Watermelon Blazer und Waterfall Tuch.)
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