Die halbe Welt steht auf ihren Balkonen und singt und applaudiert, für die Familie, für die Nachbarn, für die Ärzte und die HelferInnen im Dauereinsatz. Italien hat mit Shakespeare (Romeo und Julia) den Balkon in Szene gesetzt, ihn jedoch in diesen Wochen für die Wertschätzung und die Liebe in Zeiten von Coronavirus neu entdeckt.
Genauso befreit und voller Mitgefühl möchte ich auch von einem Balkon singen können. Allerdings null Talent, mit 100%iger Sicherheit jeder Ton … falsch! Das war schon als Kind so, zu Weihnachten, wenn ich der Familie auf der Gitarre vorspielen wollte und mein Vater meinte, dass es doch eher Zeit zum Essen wäre. Im Konfirmanden-Chor lief alles richtig, solange ich in der hinteren Reihe die Luft hielt. Bei Geburtstagen übe ich mich in lautlosen Lippenbekenntnissen und zum Neujahr bleibt nur das Küssen statt das Singen von „Happy New Year.“. Kurz gesagt: Ich bin ein musikalischer Looser.
Aber wer mich kennt, weiß, dass es irgendwo für jedes verdammte Unvermögen eine Lösung gibt. Eine Freundin schickte mir kürzlich das Bild einer italienischen Sopranistin, die mit ihrem Sohn auf dem Balkon steht und „La Traviata“ singt. Ihr Name bleibt geheim. Trotzdem habe ihn herausgefunden und sie einfach kontaktiert mit meinem Problem. Sie hörte sich – gelinde gesagt – ein wenig entsetzt an, als ich ihr eine kleine Gesangprobe am Telefon lieferte. Bin ich die Wiedergeburt der US Amerikanerin Florence Foster Jenkins? Aber als Europäerinnen hält man zusammen und spannt sein Netzwerk aus.
Seit gut zwei Wochen coachen mich nun Raffaella Baioni und der Dirigent Giovanni Mirabile vom International Opera Choir aus Rom. Ich habe ihnen einfach erzählt, dass meine älteste Tochter Roma heißt und ich die Designerin von Roma e Toska bin. Meine Gegenleistung: alle weiblichen Chormitglieder werden von mir zukünftig ausgestattet. Und …
… es hat geklappt. Hier in der MILCHSTRASSE 11 hinter verschlossenen Türen war Monique die einzige (leicht entnervt), die mich von früh morgens bis spät nachmittags üben hörte. Dazwischen immer wieder Stimmtraining über Skype. Alle, wirklich alle (siehe Bilder), haben mitgeholfen. Ich bin erschöpft, aber glücklich, und als Giovanni mich am Ende seine „Bella Cantate“ nannte, kamen mir wahrhaftig die Tränen.
Nun fehlte nur noch der Balkon für den 19:00 Uhr Gesang. Ein Blick nach oben und die Lösung war gefunden. Kurzerhand habe ich mich bei den dortigen Bewohnern (er Italiener) im Turmzimmer eingemietet und singe nun lauthals und befreit „La Traviata“ in das frühlingshafte Pöseldorf hinein. Mein Vorbild: die Callas, meine Realität: der Balkon über der MILCHSTRASSE 11. Und nun schließt Euch mir an und singt aus voller Kehle mit, egal, wie spät es gerade ist! Am besten jetzt gleich noch vor dem Frühstück! #andràtuttobene.
immer wieder gut fuer eine Überraschung !!
Bravissimo. Wenn i wieder nach Hamburg darf bitte VORSINGEN ?♂️
Natürlich, ich arbeite weiter an den höheren Tönen … Wird schon klappen. Bleib gesund und hoffentlich auf bald!