Manchmal ist das Vorwort einer Modezeitschrift anregender als der ganze Inhalt, wobei das für die neue Mai-Ausgabe der Vogue Deutschland nicht stimmt, denn die Reportage über die Haute Couture sowie Teile aus der Fotostrecke von Peter Lindbergh lohnen die Investition. Christiane Arp, Chefredakteurin, bringt es auf den Punkt, was mir immer als das Wichtigste in der Mode galt, wenn sie über Lindbergh schreibt:
„Sein ‚Tick‘, nicht die Kleider in den Fokus zu stellen, sondern die Trägerin, brachte ihm den Ruf des Erfinders der Supermodels ein und revolutionierte die Sichtweise der Inszenierung von Mode aufs Nachhaltigste. Die provozierte Gier des Habenwollens setzt Peter Lindbergh die Sehnsucht des Seinwollens, der seelenlosen glanzpolierten Oberfläche die Tiefe von Persönlichkeit und natürlicher Schönheit entgegen.“
Bravo! Darum geht es mehr denn je, und es erklärt die momentane Ängstlichkeit der „Bling Bling Gesellschaft“. Fashion ist mehr als – wie ich es immer wieder sage – die Klamotte an der Stange. Die besten Designer sind gleichzeitig Zeitgeist-Interpreten, Philosophen, Katalysatoren von Kunst und Kultur. Und ihre Trägerinnen zeigen sich in ihrer ganzen Individualität, wenn sie die für sie passende Garderobe wählen. Coco Chanel – als Randbemerkung – suchte ihre Models nach Ausdrucksstärke und Persönlichkeit aus.
Interessant auch und in diesem Kontext keineswegs überraschend, dass die Haute Couture plötzlich zeitgemäßer ist als die Prêt à Porter, die unserem Zeitgeist oftmals anbiedernd hinterher zu rennen scheint. Armani spricht von einem „Dialog und um Service. … Zweifellos sind das besondere Kleider für besondere Frauen.“ Nun müssen nur noch die besonderen Frauen die besondere Mode finden und sich mit ihr in ihrer Besonderheit entdecken.
Titelbild: Kate Moss fotografiert von Peter Lindbergh für Vogue Deutschland, Mai 2017 (Nadelstreif-Blazer von Roma e Toska als Doppelreiher coming soon!)
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