Gestern saß ich in der MILCHSTRASSE 11 mit einer Freundin und ihrer Tochter, die ab September in Italien ihr Jura Studium fortsetzt mit der Spezialisierung auf internationales Menschenrecht. Sie will ihr Leben nachhaltiger ausrichten, ist Vegetarierin, verzichtet zukünftig auf Leder, will nicht mehr so viel mit dem Flugzeug unterwegs sein … alle Bereiche des Alltags neu hinterfragen. Gut so! Wir dürfen nicht das eine Wollen und das andere nicht tun. Friday for Future! Daraufhin meinten beide, ich sollte doch mal mein Leben ohne Auto beschreiben, als Geschäftsfrau, die permanent von A nach B muss … Und notorisch pünktlich ist!
Früher war ich mit dem Auto verheiratet, die meiste Zeit meines Lebens fand, so schien jedenfalls, auf vier Rädern statt. Die Kinder morgens zur Schule (immerhin 40 km) und wieder zurück, nachmittags abholen, einkaufen, Geschäftstermine … Alles mit dem Auto. Ich fuhr permanent zu schnell, Ampeln wurden lediglich als Empfehlung verstanden, gelb war immer dunkelgrün, und im Stop-and-Go Verkehr habe ich die letzten Strickarbeiten für die neuen Manschetten an den Ärmeln erledigt. Fazit 17 Punkte, Fahrtherapie, vergeblich. Wenige Wochen später war das Flensburg-Konto schon auf 28 Punkte hochgeschnellt. Führerschein weg für sechs Monate. Das ist – glaube ich – mehr als 15 Jahre her. Seitdem bin ich ohne Auto, nie mehr gefahren, habe mir den Lappen einfach nicht wiedergeholt. Nie etwas vermisst.
Ich komme immer pünktlich an, manchmal phantasievoll und erfinderisch, manchmal straight direkt, aber immer entspannt. Die Zeit ist gefüllt und erfüllt mit Büchern, Geschreibsel am Computer, der Tageszeitung, Frühstück, Notizen, Gesprächen. Kein Schimpfen über die hirnigen Autofahrer, kein Hupen, kein Parkplatzsuchen. Ich husch mit dem Fahrrad in die Einbahnstraße, vorbei an der Baustelle, quer über die Fußgängerzone. Nach der Party radele ich entlang der Hafenszenerie und stoppe für ein paar Fotos. Wie schön ist das Leben.
Gestern Abend ging es mit dem Bus von der Milchstrasse zum Bahnhof, dann in die Nord-Ostsee-Bahn nach Westerland auf Sylt. Zugausfälle, Zugverspätungen, Umsteigen. Mit dabei mein Computer und meine Geschichten, die ich in die Tasten hämmerte, egal wo ich stand oder saß.
Später las ich das neue Buch, dazwischen ein Salat, die Landschaft, die vorbei fliegt. Und als es dann Richtung Mitternacht ging, und ich immer noch nicht angekommen war, bin ich für ein paar Minuten in Tiefschlaf gefallen. Eine herrliche Reise, die zwei Stunden länger dauerte. So what!
Dress-Code für die Fahrt: Handgestrickte Socken (€ 49), Jeans, Leinenstiefeletten von Taglia Scarpe (€ 390), Holland-Seidenbluse (€369), Day-and-Night Pullover (€ 398), Blazer (€ 698), Cashmere-Stola (498) – unverzichtbar bei den schwankenden Abteil-Temperaturen.
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