Mein Schreibtisch ist überladen von Notizen, Krimskrams, aufgeschlagenen Seiten in Büchern, Skizzenheft, sogar Gerhard Richters „Wald“ liegt unten im Stapel. Gestern hatte sich der Sturm hier im Norden angekündigt, aber er zog glimpflich vorbei und erreichte nicht seine wütenden 10 Windstärken auf der Beaufort Scala. Gut, die Parties auf der Insel fanden statt. Am Morgen konnte ich noch gerade Reinhard Mey zuwinken, dem Liedermacher, meinem Nachbarn hier um’s Eck. Ich möchte ihn einladen im Sommer, damit er sein Chanson vom Meer singen kann und wir mit ihm ein paar Stunden nachdenklich verbringen. Ob er zusagen wird?
Fest hält mich das Kollektionsthema im Griff: Das Wasser, das Zuviel Wasser und später dann ab August das „Zuwenig Wasser“. Das Bild der holländischen Malerei von Jacob Cats (1741 – 1799) mit den überfluteten Deichen habe ich nicht verwendet. Es war mir zu negativ und zu deprimierend. Dabei sind wir mittlerweile auf unserem Planeten schon weit über solche Schreckensszenerien hinaus. Wissenschaftler sprechen von „sunny day flooding“, d. h. von hohem Tidestand, der ganze Städte unter Wasser setzt, ohne das es zusätzlich Regenfälle oder Stürme gibt.
Abb: Marshall Islands, Süddeutsche Zeitung
„The Water will come“ und es werden ganze Kulturen vernichtet, verschwinden unter dem Meeresspiegel wie gesunkene Schiffe. ‚Jeder Strand, den wir besucht haben, wird ausradiert sein‘, heißt es bei David Wallace-Wells in „The uninhabitable Earth“. Die Malediven und die Marshall Islands wird es nicht mehr geben, ebenso wie zwei Drittel aller Städte, die an der Küste entlang über Jahrhunderte wuchsen und prosperierten.
Es ist Pfingst-Sonntag und als ich mich heute morgen hier an den Schreibtisch setzte, kamen die letzten von der nächtlichen Party aus dem Dorfkrug und Roten Kliff gegenüber. Die Sonne scheint, das Frühstücksei wird gekocht, der Kaffee duftet schon und eigentlich habe ich gar kein Recht dazu, hier im Blog als Mode-Tussi die Stimmung zu verderben. Tu ich auch nicht, aber das Nachdenken über den Zustand unserer Welt dürfen wir uns nicht verbieten, zu keinem Moment auch wenn wir daneben lachen, genießen und den Feiertag leben. Das gilt für Friday for Future genauso wie für Sunday for Future und alle anderen Tage der Woche. – Da klingt das Lied von Reinhard Mey von 2004 beinahe lieb und harmlos …
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