Gestern konnte ich nicht weiter schreiben, das Internet war abgeschaltet, da wir rundherum von Gewittern umgeben waren, und es schüttet, diesmal nicht aus Eimern, sondern aus Kübeln, Tonnen, Containern. Typisch für die Monsun-Zeit hier in den Tropen. Heute in den frühen Morgenstunden geht es nun weiter mit dem zweiten Teil des Bordtagebuches und unserem Ausflug in zwei entlegene Dörfer nahe Alotau.
In letzter Minute hatten Toska und ich die beiden verbleibenden Tickets bekommen und sprangen neugierig in den kleinem Bus zu unserem Tour-Guide Christian Rommel, der sich wie kaum ein anderen in Papua Neuguinea auskennt. Werden wir etwas Folkloristisches erleben, oder erwischen wir noch einen Zipfel von Authentizität? Der Wagen kämpft sich langsam durch die tiefen Wasserpfützen, die Menschen links und rechts am Straßenrand winken uns zu. Wahrscheinlich hat sich selbst bis hierhin herumgesprochen, dass ein großes weißes Schiff im Hafen angekommen ist mit all diesen weißen Menschen, von denen man früher meinte, es seien die zurückgekehrten Ahnen aus dem Himmel, die Gott gesehen haben und darüber erbleichten.
Wir kommen im ersten Dorf an, leider mit uns auch vier weitere kleine Busse, deren Menschen-Inhalt sich schon um die Häuser verteilt hat. Ein wenig fühlt es sich an wie im Freilicht-Museum. Schade, aber wir nehmen trotzdem wichtige Eindrücke mit, ihre Häuser, wie sie an ihrem „Mumu“ das „Kaikai“ kochen, und vor allem die Kinder mit ihrer Freude und Aufregung, uns zu sehen … oder besser gesagt, Toska zu sehen…
Ein Haus wurde nur für Gäste gebaut. Man könnte sich also für ein paar Tage hier im Urwald einquartieren und bekäme ein Bett, ein Breakfast am Tisch und ein Diner am Platz daneben. Basis Tourismus für Wanderer durch die grüne Hölle.
Nach einem kleinen Imbiss mit Früchten und Süßkartoffeln nehmen wir Abschied und brechen auf zum nächsten Dorf, wo uns ein Singsing erwartet, ein Fest mit Tanz, das heute noch so stattfindet, aber diesmal für uns ausgerichtet wurde. Es geht erneut für eine weitere halbe Stunde über schlammige Wege und notdürftig befestigte Schotterstraßen.
Die Erwartung auf das Singsing ist etwas verhalten, wird es eine Touristen-Show? Nein, das wird es nicht, alle Beteiligten ob Jung oder Alt haben so viel Spaß daran, die Kinder erhielten dafür sogar Schulfrei. Und wir spüren, das alles echt ist, was uns geboten wird.
Toska benutzt ihre Polaroid-Kamera, die Fotos macht, als kämen sie aus den 1950er Jahren. Wir verhalten uns reserviert, möchten nicht mit unserem Geknipse unangenehm auffallen und fragen deswegen immer höflich, ob es sie stören würde.
Mich brüllt der junge Mann mit der Muschel an und erschrocken weiche ich zurück unter dem Gekichere seiner Kumpanen. Es war ein Scherz, aber ich bleibe trotzdem erst einmal auf Abstand und fotografiere stattdessen den alten Mann mit seinem kunstvollen Halsschmuck aus Muscheln, Wildschweinhauern und roten Plastikplättchen, was früher einmal Korallen waren. Auch hier hat die schöne neue Welt nicht halt gemacht.
Vorgeführt wird ein Tanz, der die bevorstehende Wildschwein Jagd ankündigt. Die Männer knüpfen die Netze und bereiten sich vor, in den Wald zu ziehen. Jedes Detail fasziniert mich, die verschlungenen Kränze, die geflochtenen Taschen, die geritzten Ornamente auf den Palmenschals, bis hin zu den Blättergürteln um die Hüften, selbst wenn hier Puma- und Calvin Klein Unterwäsche Einzug gehalten haben. Ein Rausch der Sinne, unterbrochen durch das laute Grunzen der Männer, die sich Mut zurufen für die gefährliche Jagd.
Es geht los, die Männergruppe formiert sich und die Frauen schließen sich ihnen an. Die bunten Netze sind um die Schulter geschlungen. Die einen schauen grimmig wie große Kämpfer, die anderen lächeln sich an. Es ist aufregend und spaßig zugleich, und macht uns glauben, dass wir als hellhäutigen Zuschauern ein wenig vergessen werden. Laut erschallt der brüllende Ruf des Anführers wie seit alters her.
Wer noch nicht genug hat von diesen Bildern, der schaut in den Film „First Contact“ rein, ein faszinierendes Dokument der ersten Begegnung mit einer anderen Welt. Toska hatte ihn schon im Philosophie Unterricht gesehen. Ich erst vor ein paar Tagen hier an Bord, auch so etwas, das man nicht unbedingt auf einer Kreuzfahrt erwartet. Wir müssen unsere Vorurteile in jeder Hinsicht revidieren.
Schreibe einen Kommentar