Wir sind im Herbst angelangt, meteorologisch sowie, und kalendarisch trennen uns nur noch ein paar Tage von der dritten Jahreszeit. Der passende Schmuck traf soeben von einer Sammlerin aus den USA ein: kleine emaillierte Vintage Broschen-Anhänger von Yves Saint Laurent, gefertigt von dem bedeutendsten Modeschmuck Designer des 20. Jahrhunderts, Robert Goossens in Paris. Die Stoffprints der neuen Edition lassen noch ein wenig auf sich warten, aber dann wird es im besten Wortsinne „fabouleux“ mit den Gedichten des französischen Schriftsteller Jean de la Fontaine (1621 – 1695).
Viertes Buch
1. Der verliebte Löwe
An Fräulein von Sévigné
Sévigné, du, an Reiz und Lust
Der Grazie gleich und der Camoene,
Du Weib von tadelloser Schöne,
Die nur dir selber unbewußt,
Kannst freundlich du und ohne Grauen
Im leichten Spiel der Fabel schauen,
Und ohne daß der Schreck dich lähmt,
’nen Löwen, den Gott Amor zähmt?
Amor ist ein gar sondrer Meister;
Wohl dem, der ihn und seine Geister
Allein vom Hörensagen kennt!
Wenn seinen Namen man dir nennt:
Scheint dann die Wahrheit dir verwegen,
Nimm wenigstens die Fabel hin
Und komm mit Nachsicht ihr entgegen;
Sie will mit dienstbereitem Sinn
Dir schuld’gen Dank zu Füßen legen.
Als Sprache noch den Tieren war,
Sucht‘ einst mit uns der Löwen Schar
Sich Bund und Freundschaft anzumaßen.
Warum nicht? Wogen ihre Rassen
Doch unsre damals reichlich auf,
Da Mut sie und Verstand besaßen,
Den schönen Kopf noch obenauf.
Nun hört den weiteren Verlauf:
Ein Leu, geboren auf der Höhe,
Sieht beim Spaziergang über Feld
’ne Hirtin, die ihm wohlgefällt;
Sogleich begehrt er sie zur Ehe.
Der Vater möcht‘ um alle Welt
’nen Schwiegersohn, der minder schrecklich.
Sie ihm zu geben, scheint kein Glück,
Sie weigern ihm, ein Wagestück.
Wer weiß, ob man nicht ganz erklecklich
Sie eines schönen Morgens gar
Träf als geheim vermähltes Paar?
Denn abgesehn, daß unsre Schöne
Von je die stolzen Männer schätzt,
Hat sie sich in den Kopf gesetzt
’nen Liebsten nur mit langer Mähne.
Der Vater, der nicht unverzagt
Den Freier abzuweisen wagt,
Sagt ihm: »Mein Kind ist zart und schwächlich;
Wie leicht kann deine Krall‘ ihr nun,
Wenn du sie kosest, wehe tun!
Gestatte drum, daß man gemächlich
Sie dir verschneid‘ und unverweilt
Dir stumpfer auch die Zähne feilt;
So werden sanfter deine Küsse,
Nach deren Wonnen du verlangst,
Und meine Tochter, frei von Angst,
Gewährt dir süßere Genüsse.«
Der Löwe stimmte zu – so war
Verdunkelt seines Geistes Helle!
Nun zahnlos und der Krallen bar
Stand er, ’ne Festung ohne Wälle.
Man hetzt die Hund‘ auf ihn; er kann
Auf schwache Wehr nur sich beschränken.
Amor! Sind wir in deinem Bann,
Dann – gute Nacht, Verstand und Denken!
(zitiert aus „Gutenberg-Projekt“)
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