Sie ist eine Frau der Zahlen, die anpackt, Projekte managed und seit einer Woche sich um die Backstage Belange von Roma e Toska kümmert: Kirsten, 59 Jahre alt. Studium Sport, Mathe und Englisch, drei erwachsene Kinder. Sie ist groß, kräftig, mit ein paar Winterpfunden zu viel auf den Hüften und mit einem Kleiderschrank, der nicht mehr so richtig zu dieser neugierigen, klar strukturierten, selbstbewussten Frau passt.
Für das „Vorher-Nachher“ Experiment hat sie ihre Lieblingsstücke mitgebracht, die sie auch im Business, für Vorträge und auf Veranstaltungen trägt: vier Lederjacken, ein Anzug, ein Samtblazer, diverse schwarze Röcke, zwei Blusen und eine Reihe von Schuhen. So wie sie ihre Zahlenkolumnen mit schöner Schrift notiert, steht, hängt und liegt alles sorgfältig in Reih und Glied. Nur, passt das noch zu dieser Frau? Die Leder-Jacken werden als erstes geopfert, sie gehören in eine andere Zeit, zu rockig, zu bockig und keine Spur von souverän. Die darf sich jetzt die Tochter schnappen. Der Strenesse-Anzug ist ebenfalls ein Relikt aus der Vergangenheit. Sie sieht darin verkleidet aus, so als bräuchte sie ihn, um wichtig zu sein. Dem Anzug fehlt die Selbstverständlichkeit. Und die langen Strickjacken? Nein, sie verhüllen zu sehr. Das Gleiche gilt für die Röcke, die zu lang sind und Kirsten damit zu mächtig erscheinen lassen, aber hier kann man einfach ein paar Zentimeter kürzen und dann passt es wieder.
„Du weißt, dass Du mich jetzt aus meiner Komfort-Zone holst!“ Mit diesem Satz verschwindet sie in der Umkleide, und ich gebe zu, dass ich volles Wagnis eingehe: Die Streifen-Leggings, Day-and-Night Pullover und dazu der Trench-Coat. Wow, nun besitzt sie wieder eine Figur, Frische und strahlt die Tatkraft aus, die sie ausmacht.
Weiter: Grauer Pullover und Faltenrock aus blauem Bouclé. Ein wenig ungewohnt, aber warum nicht. Mein O.k. hätte es. – Der schwarze Lederrock aus ihrem Schrank überlebt die kritische Befragung, er ist sogar richtig gut, braucht aber ein besonderes Oberteil wie die Wolkenbluse. Nun erkenne ich die Frau, die Vorträge gibt und sich in der Chefetage tummelt.
Probieren wir noch den Nadelstreifen Blazer in weiß. Das ist es! Kommt sie so durch die Tür, weiß jeder, dass da nicht eine x-beliebige Person auftaucht, sondern jemand, der seine Position einzunehmen weiß. Kleider machen nicht Leute, sondern Kleider zeigen Persönlichkeiten. Andere laufen dafür zum Therapeuten, wir brauchten nur eine Stunde, eine ganze Menge Spaß und ein wenig Vertrauen. Keines dieser Teile hätte sie selbst gewählt, aber dafür gab es ja mich. Durch ihren Kleiderschrank weht zukünftig ein neuer Wind. Gestern Abend war sie Referentin bei dem Bundesverband Mittelständischer Unternehmen. Outfit: Lederrock mit Nadelstreifen Blazer. Ich bin gespannt auf den Bericht.
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