Es fehlt noch ein zweiter Teil meines kurzen Frankfurt Ausfluges: Die unglaublich fesselnde und inspirierende Ausstellung „Beauty“, konzipiert und gestaltet von dem Superstar des Grafikdesign Stefan Sagmeister und seiner Studiopartnerin Jessica Walsh, soeben eröffnet im Museum für Angewandte Kunst. Es ist eine ganz persönliche Suche nach dem, was schön ist, und an diesen Überlegungen lässt uns das Duo intensiv teilhaben, animiert uns eigene Entscheidungen zu treffen, was für uns das Schöne ist, wie es unseren Alltag beeinflusst und die Welt verändern kann.

Beauty

Dabei ist der Diskurs zwischen Oberfläche, Strategie und tiefer Empfindung mehr als spannend. Die fleißigen LeserInnen unter Euch erinnern sich an Friedrich Hegel und die Blume in Gemälde und Natur?! (Blog-Beitrag 13.5.)

Hegel

Ich wandere durch die Säle und vergesse doch wirklich kurzfristig die sonnige Main-Promenade draußen vor der Tür, schlängele mich durch einen Tunnel mit Bildern der Münchner U-Bahn und der Moskauer Metro, lese von dem fesselnden Projekt aus Tirana in Albanien und wundere mich über die Sammlung von symmetrisch geschlagenem Werkzeug aus der Steinzeit. Stimmt es, dass sich mit dem 20. Jahrhundert unser Begriff von „Schönheit“ veränderte?

Fassaden Tirana

Beinahe bei jedem Text, Bild, Objekt oder Installation könnte man eine kleine Ewigkeit nachdenklich verweilen. Ich habe vier Coins, die ich in Wahl-Behälter werfen kann, um eine Schönheitsentscheidung zu treffen: rund oder eckig? Südseestrand oder Gebirge (guess what!)? Limetten-, Zimt-, U-Bahn- oder Auspuff-Düfte …?

Duchamp Pissoir

Da ist auch das Ready-made „Fountain“ von Marcel Duchamp mit seiner Abkehr von dem herkömmlichen Begriff des Schönen. Damals,1917, eine irrsinnige Provokation, heute ein schönes (?) und teures Sammler-Objekt. Wie können wir uns das Schöne bewahren, wenn unser Tag mit Spiegel Online beginnt? Vielleicht gibt der letzte Raum dazu eine Option: Sammler werden!

Beauty AusstellungBeauty Ausstellung

Drei Dinge soll ich also fotografieren, als dürfte ich sie mitnehmen. Oh, das wird schwer, aber es schärft meine Sinne unglaublich, denn etwas zu besitzen ist noch etwas anderes, als es zu betrachten. Ich würde Edmund de Waals Keramiken mitnehmen. Der Autor von „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ ist ein international ausgezeichneter und begehrter Keramikkünstler. Ich wollte schon immer eine kleine Installation dieser eigenwilligen bewusst schief und krummen Vasen zu meinem Eigenen zählen, in meiner „Wunderkammer“ aufstellen, wieder und wieder betrachten und ständig neu entdecken. Darin liegt ein Kern des Sammelns.

Edmund de Waal

Die kleine Skulptur aus der Ming-Dynastie (1368 – 1644), oh, sie ist auch wunderschön bezaubernd. Oder der Sessel „How high the Moon“, den ich beinahe vor Jahren gekauft hätte. Jetzt wird’s eng. Der englische Spiegel aus dem 18. Jahrhundert ist schon mal draußen.

Ming SkulpturHow High The Moon

Hat Schönheit auch etwas mit auswählen zu tun? Mit dem vergleichenden Sehen? Kann das, was absolut schön war auch zu „second best“ werden? Das Service von Walter Gropius aus der Bauhaus-Zeit ist noch nicht entschieden, ob es mit soll, ebenso die Welle von Hokusai …

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Draußen empfängt mich die Platanen-Allee entlang des Mains, schön. Ich laufe endlos in Gedanken, schön. Und irgendwann springe ich in den Zug, erfüllt von meinem Abstecher in die „Lust am Schönen“, wie es im Katalog dazu heißt. Die Ausstellung geht noch bis zum 15. September 2019 und kommt dann – Aufatmen für alle Hamburger – in das Museum für Kunst-und-Gewerbe am Steintorplatz.