Gestern schon spät, ich lag im Bett und kämpfte mich durch Dr. Copernicus (auf englisch) als Vorbereitung auf die überübernächste Kollektion. Dann eine SMS, ob ich ARTE sehen würde, da läuft gerade die Sendung „Eine andere Mode ist möglich„. Ich klicke mein Handy an und sehe dort den Bericht, 53 min. lang, und jede Sequenz mir wie aus der Seele gesprochen mit zum Teil erschreckenden Informationen und spannenden Alternativen. „Die Modeindustrie hat eine Sinnkrise von historischem Ausmaß“.

Arte Fashion Titel

„Die Globalisierung machte aus der einstigen Traumbranche, die vor noch nicht allzu langer Zeit für handwerkliche Meisterleistungen, Kreativität und Avantgarde stand, ein menschenverachtendes Geschäft.“, heißt es in der Ankündigung der Sendung weiter. Habe ich nicht gerade darüber geschrieben (Blog, 13.9.2018), und saß nicht eben noch Toska (21) mit mir am Abendtisch, und wir sprachen darüber, dass das Modebusiness auf abstoßende Weise überhitzt sei… Richtig!

Während ich in den letzten Wochen am Meer spaziere, überlege ich wie Alternativen aussehen könnten. Alles wieder klein machen, intim, menschlich. Die Ethik und die Philosophie in die Mode bringen, Kooperationen mit Lieferanten pflegen, die ihr Handwerk lieben und kreativ ausführen, die Zulieferketten überprüfen … Mode wieder zu einem Dialog über das Leben machen. – Hier habe ich schon lange meine Position gefunden, andere haben andere Schwerpunkte gesetzt, uns allen ist jedoch gleich, dass es um eine Neuerfindung von Mode geht, um Verantwortung, um Nachhaltigkeit. Wollen wir das  „Anti Fashion“ nennen, wie es Li Edelkoort, die große internationale Trendforscherin, vorschlägt und allein bei der Schilderung der Jetzt-Situation pausenlos „abkotzen“ möchte (sie ist so drastisch, nur auf französisch).

Li Edelkoort

Abb. Li Edelkoort „Die Mode ist von Schmerz und Unglück durchzogen“, Foto: imagegroup

Die Umkehrung für die Bezeichnung der Verhältnisse wäre korrekt: die Fast Fashion Industrie, die Ausbeutung von hoch sensiblen und kreativen Designern, das Lohndumping, die internationale Kopier-Mafia, ökologische Sünden (Mode ist die No.2 der Umweltsünder nach der Öl-Industrie!), das alles ist „ANTI-Fashion“. Aber um sich abzusetzen, müssen die anderen, die sich auf die Tradition von Fashion als Teil und Ausdruck unserer kulturellen Gesellschaft berufen, als ANTI bezeichnen.

Alexander McQueen

Abb: Alexander McQueen nah sich 2010 das Leben.

In fünf Tagen startet die Premier Vision in Paris, die größte Stoffmesse der Welt, ein Treffpunkt aller Kreativen, Stoffproduzenten, Suppliers von überall her. Es ist ein Treffen von vielen, die die Komplexität von Fashion aufzeigen und sich auf jahrelange Traditionen berufen, gepaart mit faszinierenden Innovationen. Die Halle 5 zeigt die außergewöhnlichen kleinen Luxus-Manufakturen – ein Hochgenuss, wenn die Hand entlang der Stoffproben streicht. Die Halle 6 ist den klassischen Materialien gewidmet, Tweed, Bouclés, aber auch high-tech Stoffe aus Japan. Halle 3 sind die Accessoires … – Spannend, und eine Verpflichtung, die Kette auch hier nachhaltig und respektvoll zu pflegen. Viele meiner italienischen und französischen Lieferanten sind oftmals frustriert, dass ihre Muster in Asien von den sogenannten full-service Produktionen billig kopiert werden.

StoffauswahlPremier Vision

FASHION und ANTI-FASHION werden uns noch lange beschäftigen. Ich halte es mit den Filmemachern von ARTE: das Thema birgt in sich eine große Chance für den Neubeginn.