Was für ein wunderschöner Abend mit der Tochter Roma (22) als erster Referentin, die uns Müttern die Welt erklärt. Ihr Thema „Leibniz und Voltaire“ – ich war doppelt aufgeregt, sie blieb cool trotz hochkarätiger Zuhörerinnen. Der Kamin in der Milchstrasse 11 prasselte, der Eintopf stand warm bereit, der Wein gekühlt … Jeder bekam eine Ausgabe von „Candide oder der Optimismus“ als Präsent und dazu die Desillusion gleich am Anfang des Vortrages, dass es sich dabei um ein erbauliches, ein schönes, ein weihnachtlich positives Buch handeln würde. Roma versetzte uns in das Ende des Jahres 1755 mit dem verheerenden Erdbeben von Lissabon, das bis zu 100.000 Todesopfer forderte und zu einer der größten Naturkatastrophen Europas zählt. Die Menschen, die in die Kirchen geeilt waren, um Gott um Hilfe anzuflehen, waren allesamt verschüttet und gestorben.
Vor diesem Hintergrund entwickelte Leibniz seine Theorie, dass Gott trotzdem ein guter Gott ist – dass er allmächtig ist und dass das Böse geschaffen wurde, damit wir als frei denkende Menschen daraus lernen. Ein mutiges Statement zu Beginn der Aufklärung. Aber es ist kein geringerer als Voltaire, der sich später auf zynische Weise über diese Gleichung lächerlich machen wird: Candide!
Die Runde bleibt an Roma’s Lippen hängen, sie referiert frei und parliert auf kritische Zwischenfragen. Für sie ist Voltaire die Ergänzung des Leibniz’schen Gedankens, wenn er dazu aufruft, dem Schlechten in der Welt zu begegnen: „‚Vor allem weiß ich jetzt‘ unterbrach ihn Candide, ‚dass wir unseren Garten bestellen müssen.'“ – Es dauert nicht lange und wir sind im 20. und 21. Jahrhundert angelangt, diskutieren über „gut“ und „gütig“, über Hitler und Trump. – Leibniz und Voltaire stehen in ihrer Zeit und doch darüber. Eine Disput so aktuell, wie er nicht sein könnte, und da es die Jüngere ist, die der Älteren die Welt erklärt, müssen wir besonders gut zuhören!
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