Sie war meine Nachbarin und ich nannte sie liebevoll „Aida Klimpermaus„, denn hinter zwei Wänden und einem Treppenhaus hörte ich sie beinahe täglich Klavier üben. Wunderschöne ferne Klänge einer Tür-an-Tür Freundschaft. Im April zogen wir um und jetzt lerne ich sie erst richtig kennen: AIDA SIKIRA die Konzertpianistin. Vor ein paar Wochen lud sie mich zu einem Musikabend ins Steinway Haus in Hamburg: Aida meets Buggy (auch unser ehemaliger Nachbar) – Classic meets Jazz. Mein Weg dorthin – eine abendfüllende Geschichte: zu spät mit dem Fahrrad los, falsche Richtung, orientierungslos, Fahrrad in die Ecke geworfen, ins Taxi gesprungen, kein Geld, kein Ausweis. Taxifahrer bequatscht, er müsse mich trotzdem fahren. Fahrer stellt fest, er kenne und verehre meine berühmte Schauspielschwägerin und fährt mich umsonst.

Horowitz Saal

Und dann: die Tür verschlossen und ich darf erst rein, als zwischendurch Beifall erklingt. Ich quetsche mich auf einen freien Platz in der zweiten Reihe und versinke in eine Welt der Musik, wie ich sie schon lange nicht mehr gehört habe: so hingebungsvoll, so virtuos, so gefühlt von einer großen Frauenseele.

Aida Horowitz

Gestern nun das Konzert im Teehaus in Keitum: AIDA meets Buggy. Der Steinway Flügel im späten Sonnenlicht, der Blick auf die Wiesen. Herrlich. Das gleiche Programm: Scarlatti, Rachmaninov und dann die Impressionisten Debussy und Ravel. Letztere nehmen mich mit auf eine Reise zu den Pointillisten Seurat, Signac, Pissarro … offene Dissonanzen, Klänge, die sich wie Pünktchen aneinanderreihen mit der Emotionalität des Kindes und dem Genie des Meisters.

Teekontor AIDA

etude_densemble

Großartig gespielt von … meiner Nachbarin, was ich in der Pause nach links und rechts zum Besten gebe. Ganz stolz sitze ich da, dass wir uns kennen, gemeinsam gealbert haben und das sie nun als Virtuosin dort vor mir Roma e Toska trägt und die Schuhe von Taglia Scarpe (sie zieht sie immer zum Spielen aus).

Aida Taglia Scarpe

Und dann kommt Fazit Say, der türkische Komponist, dessen Werk mich schon das letzte Mal so begeisterte. Es rührt mich zu Tränen (echt!), der einsame Klang der Wüste und die Trauer der Frauen, wie er in dem Spiel von Aida mitklingt, anders als im Vortrag von Fazit Say selbst. Ich bin verzückt, entrückt, verabschiede mich mit einem Kuss, um den Klängen auf dem nächtlichen Fahrrad-Weg nach Kampen nachzulauschen.