Seit vielen Jahren produzieren wir im Erzgebirge, einem kleinen hübschen verschlafenen Örtchen, ca. 25 min. mit dem Taxi von Chemnitz entfernt. Gartenzwerge vor dem Haus, Holz für den Ofen im Schuppen und geschnitzte Figuren im Fenster. 19 Schneiderinnen und Näherinnen kümmern sich verantwortungsvoll und sorgfältig um die Kollektionen, dirigiert von Frau Kollek und Frau Riedel, Meisterinnen ihres Faches. Viele fleißige Hände mit einer Sprache, für die ich ein Lexikon bräuchte. Die „Tüüscha“ und die „plauen Pläsa“, die Uuwusela Trompete auf dem Klo, falls das Schloss nicht aufgeht … Für Musterungen übernachteten wir in der Pension Sonnenschein (€18,00 Übernachtung inkl. Frühstück), und ich kaufte alles, was an kleinen Erzgebirge-Figürchen gegenüber zu kaufen war.
Bis wir im Erzgebirge produzierten ging der Weg über so mach skurrile Stationen. Als erstes nähte Frau Raigrotzky für uns. Sie hatte sich auf eine Anzeige in den Lübecker Nachrichten gemeldet (wir wohnten damals noch im Herrenhaus auf dem Land). Sie war so crazy, dass sie meine zickzack Schlangenlinien perfekt nachnähen konnte. Aber dann hatte ihr Pferd Depressionen und sie musste mit ihm Spazierengehen. Es folgt das Atelier in Rümpel, das auch die Musterung für Jil Sander fertigte. Eine herrliche Zusammenarbeit, bei der ich wahnsinnig viel lernte am Zuschneidetisch der Meisterin. Es folgte in Hamburg Herr Abasada und seine Afghanen: Passform war Zufall, Nahtzugaben ein on-add. Horror pur! Nächste Station: Produktion in Polen. Nie wieder war es so witzig, nie wieder wurde vor 11.30 Uhr morgens Wodka getrunken, Musterteile mussten 6.00 Uhr früh beim Bäcker in der Schanze (Stadtteil Hamburg) abgeholt werden. Die Qualität vollzog wahre Achterbahnen, die Produktionsleiterin verlor den Überblick, implodierte-explodierte, viel Lärm um nichts – und weg waren wir.
Da liebe ich das Rattern der Maschinen mit Blick auf den kleinen Kirchturm, den Schnee im Winter und die Kornfelder im Sommer. Im Restaurant gibt es deftige Hausmann’s Kost und jeder der reinkommt, klopft einem auf den Tisch. Wird Zeit für eine nächste Reise, vermisse schon den Blick von allen, wenn ich morgens um 6.00 als „Designerin“ (oh, weh) durch die Tür komme.
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