Bevor ich Euch in das Reich der Inka entführe, zeige ich die Textilkunst dieser Region, dem Hochland der Anden um das Zentrum Cusco herum. Es geht mit dem Auto nach Chinchero, dort wo sich 1996 das Centro de Texitles Tradicionales del Cusco (kurz CTTC) gründete. Peru ist berühmt für seine Webkunst und das nicht erst seit der Inka Zeit. Jede kleine Region, jede indigene Gemeinschaft besitzt ihre eigenen Techniken, Muster und textile Sprachcode, und das seit mehreren Tausenden von Jahren. Wieder komme ich ganz nah an die Ursprünge.

Das Wissen um diese Kunst drohte jedoch verlorenzugehen, deswegen haben Nilda Callañaupa, ich nenne sie schlicht “Nilda” und sie mich “Birschid” (wer kann schon Tyszkiewicz aussprechen) und ihre Mutter damals die non-profit Vereinigung gegründet, um diese Fertigkeiten zu sammeln und zu unterrichten und zu bewahren.

“I have learned that each and every piece of cloth embodies the spirit, skill and personal history of an individual weaver. Weaving is a living art, an expression of culture, geography and history. It ties together with an endless thread the emotional life of my people.” (Nilda Callañaupa)

Die Frauen kommen als junge Mädchen aus ihren Familien und Dörfen hierhin. Nach vier bis sechs Jahre sind sie Meisterinnen der Webkunst. Wenn ich zwischen ihnen sitze, spüre ich ihr Selbstbewusstsein und ihren Stolz.

“Now the women have their own money and we are able to educate our children, take them to the doctor when they get sick, feed them better, dress better.” (Forunata Huaman, Weberin aus Aach Alta im Norden)

Alles (!) wird mit der Hand gemacht und dabei werden ausschließlich alte Techniken und Naturmaterialien verwendet, genauso, wie es ihre Vorfahren machten. Es beginnt mit dem Spinnen der Wolle vom Schaf, dem Alpka und Baby Alpka.

Ausführlich wird mir anschließend demonstriert, wie die fertigen Garne gefärbt werden. Wüsste ich nur die ganzen Namen der Kräuter, Pflanzen, Hölzer, der Parasiten auf den Kakteen, die dieses tiefe Rot produzieren. Sie haben sie mir genannt, aber die Wörter gingen bei mir unter in einem lange spanischen Erklärfluss.

Ihr glaubt gar nicht, wieviele Fotos ich allein von diesem Prozess gemacht habe, Schalen und Flüssigkeiten, die türkis, gelb, blau, orange ergeben, … Es fasziniert mich, und wie ich später in den Museen sehen werde, konservieren sich diese Farben über die Zeit.

Ist das Garn gefärbt, gewaschen und getrocknet, wird es für die Webrahmen vorbereitet. Zwei Frauen links und rechts, als würden sie spielen, ein Wollknäuel rollt von einer zur anderen. Diese friedliche Harmonie an diesem Ort, dieses fröhliche betriebsame Treiben. Darüber vergesse im komplett, was alles noch auf dem Programm steht.

Die Frauen zeigen mir ihre Erzeugnisse, manches sind Replika von historischen Mustern, manches ist auch einfach das Vokabular ihrer Vorfahren eigenwillig kombiniert. Alles sind jedoch Symbole, die wieder für etwas stehen: der Condor, der Puma, die Schlage. Sie erklären mir die Kreuze und Kringel, die den Wind bezeichnen, der Erde und Himmel miteinander verbindet. Heritage Peru.

Ich könnte mal wieder alles kaufen, ein Teil ist schöner als das andere. Unter Gelächter werde ich eingekleidet, ausgekleidet, neu geschnürt. Ach, sieht das alles schön aus, und wie vertraut wir miteinander sind. Neugierig studieren sie meinen Roma-e-Toska-Peru-Mix. Schnell ist auch hier eine zukünftige Zusammenarbeit verabredet.

Zwei Teile muss ich unbedingt mitnehmen: die Bluse und die Weste der Chincheros. Sie sind für mich Inspiration, und ich sehe schon, wie sie als Elemente auf unsere Puffarm-Bluse appliziert werden. Denn eines ist auch interessant zu sehen, im Gegensatz zu der außergewöhnlichen Stickerei, bleibt die Fertigung der Teile hinter unseren Luxusstandards zurück.

Ihre Textiltraditionen verbunden mit meiner Kreativität und unseren Schneiderfährigkeiten im Atelier werden etwas Neues entstehen lassen. Es wird am Ende meine individuelle Kollektions-Erzählung von der Seele Perus, gefüllt mit Details und originalen Versatzstücken. Das ist es, was mich fesselt.

Wie Ihr seid gestern wisst, bin ich mit einem gedanklichen Bein auf Sylt, wo Roma und Toska gerade sortieren und räumen. Die Tür ist geöffnet. In den folgenden Berichten werde ich immer am Ende ein Objekt mit Inselgeschichte anhängen für neue Liebhaber*innen.

Eckschrank, Schwede um 1800, Holz farbig gefasst. € 3.000